Juni 2025
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Low-Code-Tools ermöglichen es den Mitarbeitenden, ihre Ideen zu gewissen Abläufen und Tätigkeiten selbst umzusetzen – schnell, günstig und praxisnah. 
Low-Code-Tools ermöglichen es den Mitarbeitenden, ihre Ideen zu gewissen Abläufen und Tätigkeiten selbst umzusetzen – schnell, günstig und praxisnah. 

 

Digitalisierung im Metallbau

Zwischen Schweisstechnik und Softwareentwicklung

Digitalisierung – ein Begriff, der überall präsent ist. Doch wie digital ist die Schweizer Metallbaubranche wirklich?

Text, Interview und Bilder: Redaktion 

Genau dieser Frage ist Simon Schori im Rahmen seiner Masterarbeit auf den Grund gegangen – und dabei spannenden Widersprüchen begegnet. Während in Medienberichten und Gesprächen mit Branchenkennern oft von einer zögerlichen Digitalisierung im Metallbau die Rede ist, kennt Schori als langjähriger Mitarbeiter eines grossen Schweizer Metallbauunternehmens eine andere Realität: Es wird sehr wohl digitalisiert – und das seit Jahren.
Diese Diskrepanz zwischen öffentlicher Wahrnehmung und eigener Erfahrung liess ihn nicht los. Für seine Abschlussarbeit im MAS Business Engineering an der ZHAW wollte er es genau wissen: Wo steht die Branche wirklich? Welche Fortschritte wurden gemacht – und wo besteht Nachholbedarf? Die «metall» hat mit ihm gesprochen. Mehr über seine persönlichen Erfahrungen, fachlichen Erkenntnisse und praktischen Appelle zur Digitalisierung im Schweizer Metallbau erfahren Sie im Interview.

Simon Schori wollte es durch seine Abschlussarbeit im MAS Business Engineering an der ZHAW genau herausfinden: Wo steht die Metallbaubranche wirklich?
Simon Schori wollte es durch seine Abschlussarbeit im MAS Business Engineering an der ZHAW genau herausfinden: Wo steht die Metallbaubranche wirklich?

 

Interview

Herr Schori, was war der zentrale Auslöser, dass Sie sich entschieden, Ihre Masterarbeit dem Thema «Digitalisierung im Metallbau» zu widmen?
Es waren eigentlich zwei Dinge. Einerseits Gespräche mit Branchenkollegen, die den Eindruck vermittelten, unsere Branche hinke in Sachen Digitalisierung hinterher. Andererseits waren es auch einzelne Artikel in Fachmedien, die ähnliche Zweifel aufwarfen. Da ich aus eigener Erfahrung wusste, wie viel im Unternehmen meines Arbeitgebers digitalisiert wird, wollte ich herausfinden, was wirklich Sache ist – ob wir die Digitalisierung verschlafen haben oder ob einfach ein falsches Bild herrscht.

Und was haben Sie herausgefunden? Schlafen wir tatsächlich?
Nein, das würde ich nicht sagen. Meine Recherchen und Expertengespräche haben ergeben, dass der Metallbau als Ganzes gesehen in der Schweiz, im Vergleich mit anderen Branchen, gut mithält. Aber wir fokussieren uns – wie viele andere auch – vor allem auf die Digitalisierung und Automatisierung bestehender Prozesse. Was fehlt, ist oft ein mutiger Blick nach vorn: Wie können wir neue Geschäftsmodelle denken, statt nur analoge Prozesse digital zu kopieren?
Natürlich gibt es innerhalb der Metallbaubranche die ganze Bandbreite an Unternehmen von «digital versiert» bis «Aversion zum Digitalen». Aber das ist in den anderen Schweizer Branchen ganz ähnlich. Diese Bandbreite ist vor allem für die Berufsbildung sehr herausfordernd. Sie muss Berufsbilder entwickeln, die in Lehrbetrieben mit unterschiedlichsten Einstellungen zur Digitalisierung unterrichtet werden können.

Was unterscheidet denn den Metallbau von anderen Branchen in Bezug auf Digitalisierung?
Unsere Arbeit ist sehr physisch. Wir bauen reale Dinge – Unikate oder standardisierte Produkte – die am Ende auf der Baustelle stehen oder beim Kunden montiert werden. Die Herausforderung ist, digitale Prozesse mit handwerklicher Präzision und Kreativität zu vereinen. Und natürlich gibt es grosse Unterschiede: Der eine Betrieb fertigt künstlerische Einzelstücke, der andere automatisiert bereits fast komplett. Das braucht jeweils ganz unterschiedliche Digitalisierungsstrategien.

In Ihrer Arbeit sprechen Sie sich für «Citizen Development» und «Low-Code-Tools» aus. Warum gerade diese Ansätze?
Ein ausgebildeter Softwareentwickler ist teuer und für viele KMU nicht greifbar. Gleichzeitig werden unsere Mitarbeitenden digitaler und erwarten smarte Lösungen. Low-Code-Tools ermöglichen es diesen Mitarbeitenden, ihre Ideen selbst umzusetzen – schnell, günstig und praxisnah. Die IT bleibt wichtig als Infrastrukturgeberin und Unterstützung, aber sie muss nicht jede App selbst bauen.

Gibt es Widerstände gegen diese Ansätze?
Natürlich. Da ist die Angst vor Schatten-IT oder unkontrollierten Prozessen. Aber genau da helfen Low-Code-Plattformen: Sie machen Lösungen sichtbar und steuerbar. Der Trick ist, klare Regeln zu schaffen, die Kreativität ermöglichen, aber trotzdem Sicherheit geben. Und vor allem: Die Mitarbeitenden müssen ernst genommen und befähigt werden – nicht gebremst.

Sie erwähnen auch BIM – also «Building Information Modeling» – als Chance. Wie ist der Stand hier?
BIM ist im Metallbau – und allgemein im Hochbau - noch ein zartes Pflänzchen. Es gibt erste Projekte, erste Erfahrungen, aber noch keine breite Umsetzung. Dabei wäre das Potenzial riesig – gerade für die Zusammenarbeit zwischen Architekten, Planern und ausführenden Firmen. Ich appelliere an die Branchenverbände, hier mutiger voranzugehen und BIM strategisch zu verankern.

Wie steht es um kleinere Unternehmen – können die sich das alles überhaupt leisten?
Das ist eine berechtigte Frage. Aber Digitalisierung muss nicht immer teuer sein. Low-Code-Lösungen sind oft sehr günstig in der Anschaffung und können mit wenig Ressourcen grosse Wirkung entfalten. Vor allem machen sie ein Unternehmen anpassungsfähiger. Und auch für kleinere Betriebe gilt: Wer heute digitalisiert, erhöht die Chancen auf Nachfolge und bleibt wettbewerbsfähig.

Sie richten am Ende Ihrer Arbeit einen Appell an Berater und Dienstleister. Was erwarten Sie konkret?
Wir brauchen keine schicken Powerpoint-Präsentationen. Wir brauchen Leute, die uns in der Praxis helfen – beim Denken, Umsetzen und Durchhalten. Die uns aus dem Tagesgeschäft rausholen und zeigen, was wirklich funktioniert. Und die ihre Leistungen so gestalten, dass auch kleinere Unternehmen sie sich leisten können. Kurz: Wir brauchen Macher, nicht nur Redner.

Und was sagen Sie denjenigen, die gar nicht digitalisieren wollen?
Das ist völlig in Ordnung, solange das Unternehmen gut läuft und die Mitarbeitenden und Kunden zufrieden sind. Es gibt hervorragende analoge Lösungen. Aber gewisse Standards – wie das E-Mail oder ein elektronischer Lieferschein – sind gesellschaftlich gesetzt. Wer sie ignoriert, riskiert, den Anschluss zu verlieren.

Ein abschliessender Wunsch?
Ja. An die Bildungslandschaft: Bitte macht 3D-CAD und Low-Code zu festen Bestandteilen der Berufsausbildung. Die nächste Generation wird digitaler – geben wir ihr das nötige Rüstzeug mit auf den Weg. ■

Hinweis der Redaktion

«Citizen Developers»
sind technisch versierte Mitarbeitende, die ausserhalb der IT-Abteilung softwarebasierte Anwendungen für ihren jeweiligen Fachbereich erstellen. Im Gegensatz zu einem professionellen Entwickler haben «Citizen Developers» keine oder nur geringfügige IT- und Programmierkenntnisse.

«Low-Code-Plattform»
bezeichnet eine Entwicklungsumgebung für Software, welche die Entwicklung mit visuellen Applikationsdesign-Werkzeugen und anderen grafischen Modellierungsverfahren ermöglicht, anstatt klassische textbasierte Programmiersprachen zu verwenden.
Quelle: Wikipedia

«Building Information Modelling» (BIM)
bedeutet für die Metallbaubranche die digitale Planung, Koordination und Ausführung von Bauprojekten anhand eines zentralen 3D-Modells. Es ermöglicht präzise Planung von Metallbauteilen, frühzeitige Kollisionsprüfung mit anderen Gewerken, effizientere Fertigung und Montage sowie transparente Kommunikation aller Projektbeteiligten. So werden Fehler reduziert, Kosten gesenkt und Abläufe optimiert.