Juni 2025
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Hohe, technisch anspruchsvolle Transparenz

Ganzglasgeländer

Transparenz und Leichtigkeit prägen den architektonischen Trend bei Balkonen und Terrassen – Ganzglasgeländer bieten hierbei durch ihre Klarsichtigkeit ungehinderte Ausblicke und moderne Ästhetik. Doch wer solche Systeme plant, herstellt oder montiert, steht vor einer Vielzahl technischer, normativer und sicherheitsrelevanter Herausforderungen. Der vorliegende Beitrag fasst die wichtigsten Aspekte der Planung und Ausführung zusammen.


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Wer Ganzglasgeländer plant, herstellt oder montiert, steht vor einer Vielzahl technischer, normativer und sicherheitsrelevanter Herausforderungen.
Wer Ganzglasgeländer plant, herstellt oder montiert, steht vor einer Vielzahl technischer, normativer und sicherheitsrelevanter Herausforderungen.

 

Ganzglasgeländer

Hohe, technisch anspruchsvolle Transparenz

Transparenz und Leichtigkeit prägen den architektonischen Trend bei Balkonen und Terrassen – Ganzglasgeländer bieten hierbei durch ihre Klarsichtigkeit ungehinderte Ausblicke und moderne Ästhetik. Doch wer solche Systeme plant, herstellt oder montiert, steht vor einer Vielzahl technischer, normativer und sicherheitsrelevanter Herausforderungen. Der vorliegende Beitrag fasst die wichtigsten Aspekte der Planung und Ausführung zusammen.

Text und Bilder: Redaktion

Bereits in der Ausschreibungsphase ist höchste Präzision gefragt. Transparente Geländersysteme stellen hohe technische Anforderungen an Befestigung, Abdichtung, Glaswahl, Glaseinspannung und Stossausbildung. Der Fachplaner ist verpflichtet, die Geländer so zu beschreiben, dass sie sowohl den geltenden Normen als auch sicherheitstechnischen Vorgaben entsprechen. Wird der Metallbauunternehmer jedoch direkt mit einem Auftrag für die Planung und den Bau von Ganzglasgeländern betraut, ist es wichtig, dass er über die geforderten Kenntnisse verfügt.

Befestigung, Abdichtung und Krafteinleitung

Ein kritischer Punkt ist die Befestigung der Geländer am Rohbau – insbesondere dann, wenn die Konstruktion die wasserführende Ebene eines Flachdachs durchdringt. Um die statischen Kräfte, die durch Hebelwirkungen entstehen, sicher abzuleiten, ist eine frühzeitige Planung unter Einbezug von Abdichtung und Wärmedämmung zwingend erforderlich.
Bewährt hat sich ein zweistufiger Montageprozess: Zunächst wird eine Unterkonstruktion mit ausreichend Klebefläche auf Höhe der Dichtungsfolie installiert, um ein fachgerechtes Abdichten durch den Dachdecker zu ermöglichen. Erst danach erfolgt die Montage des Geländer-Schuhprofils auf dafür vorgesehenen Befestigungslaschen oberhalb der Abdichtung. Zu diesem Zweck eignen sich auch verschiedene, auf dem Markt erhältliche vorfabrizierte Komponenten.
Beachte: Eine mangelhaft durchdachte Befestigung und Abdichtung kann nicht nur zu Feuchtigkeitsschäden führen, sondern auch zu aufwendigen Nachbesserungen und hohen Kosten.   

Hier werden alle Vorgaben, Normen und Richtlinien erfüllt.1 Konsole 2 Glasprofil 3 Edelstahlrinne 4 Druckfeste Dämmung 5 Abschottung 6 Abdichtung 7 Flüssigkunststoff 8 Dachwassereinlauf 9 Notüberlauf 10 Dachrand 11 Bettungs- und Nutzschicht mit KieswinkelQuelle: Metaltec Suisse | Merkblatt TK 007 | Ausgabe 4/2017 | FD 3/16 © 01.11.2016 Gebäudehülle Schweiz.
Hier werden alle Vorgaben, Normen und Richtlinien erfüllt.
1 Konsole
2 Glasprofil
3 Edelstahlrinne
4 Druckfeste Dämmung
5 Abschottung
6 Abdichtung
7 Flüssigkunststoff
8 Dachwassereinlauf
9 Notüberlauf
10 Dachrand
11 Bettungs- und Nutzschicht mit Kieswinkel

Quelle: Metaltec Suisse | Merkblatt TK 007 | Ausgabe 4/2017 | FD 3/16 © 01.11.2016 Gebäudehülle Schweiz.

 

Normative Anforderungen und statische Nachweise

Ganzglasgeländer sind sicherheitsrelevante Bauteile. Die Anforderungen an ihre Tragfähigkeit, Gebrauchstauglichkeit (etwa im Hinblick auf Durchbiegung und Schwingungen), Bruchsicherheit und Verhalten im Bruchfall (Resttragfähigkeit) sind im SIA-Merkblatt 2057 detailliert beschrieben und müssen nachgewiesen werden.
Das Merkblatt – das sich auf Normen wie SIA 260 «Grundlagen der Projektierung von Tragwerken» und SIA 261 «Einwirkungen auf Tragwerke» bezieht – gliedert absturzsichernde Verglasungen in drei Gruppen – von raumhohen, linear gelagerten Systemen bis zu gerahmten Glasfüllungen mit Querriegeln.
Ergänzt wird das Regelwerk durch die neue SIGAB-Richtlinie 004 (SR-004, 2024), welche die Bemessung von Glasdicken systematisch beschreibt. Sie berücksichtigt Holmlasten von 0,8 kN/m 1 für Wohn- und Büroflächen sowie 1,6 kN/m 1 für Versammlungsräume. Windlasten werden je nach Gebäudehöhe und Standort differenziert – bis zu 2,2 kN/m² für exponierte Dachlagen. Die SIGAB-Richtlinie stellt damit praxistaugliche Glasdimensionierungen für verschiedene Systeme zur Verfügung, basierend auf Verbundsicherheitsglas (VSG) aus Float- oder teilvorgespanntem Glas (TVG) in Kombination mit Polyvinylbutyral (PVB) als auch mit schubsteifen Zwischenlagen aus Ionomer.
Siehe auch Beitrag in der «metall», Ausgabe Mai 2025, Seite18.   

Glasstärken in der Praxis

Für Standardanwendungen sind bei Ganzglasgeländern mit einer geforderten Holmlast von 0,8 kN/m 1 bei 1,00 m Glasausstand ab dem Profil, folgende Mindestanforderungen gängig:
• VSG aus 2 × 12 mm Floatglas mit 1,52-mm-PVB-Folie (12/1,52/12)
• VSG aus 2 × 10 mm TVG mit 1,52-mm-Folie (10/1,52/10).
Nicht statisch nachweisbar – und somit nicht zulässig – sind beispielsweise:
• VSG aus 2 × 10  mm Floatglas
• VSG aus 2 × 8 mm TVG.
Nicht alle Systeme, die am Markt angeboten werden, erfüllen diese Mindestwerte automatisch. Im Schadensfall liegt die Verantwortung beim ausführenden Metallbauer – ein vollständiger statischer Nachweis nach SIA 2057 durch den Systemlieferanten ist daher zwingend.   

Systemwahl: Glasschuhprofile und Einspannungen

Ein wesentliches Konstruktionsdetail ist die Wahl des Glasschuhprofils. Übliche Systeme bestehen aus Aluminium und unterscheiden sich bezüglich Eck- und Stossausbildung, Abdichtung, Einspanntiefe und Beplankungsmöglichkeit mit Blech. Die Einspanntiefe beeinflusst die lokale Spannungsverteilung im Glas. Eine tiefere Einspannung führt tendenziell zu geringerer Punktbelastung, besserer Verdrehsteifigkeit des Profils und somit zu geringerer Durchbiegung.
Jedoch bringt auch die robusteste Einspannung keinen Vorteil, wenn das Profilmaterial zu schwach oder die Verankerung am Rohbau mangelhaft ist.
Zudem muss die Glaseinspannung weitgehend zwängungsfrei und elastisch erfolgen. Punktuelle Lagerungen oder Verkeilungen sind im statischen Modell korrekt abzubilden und deren Tragfähigkeit nachzuweisen.

Ziel einer Glaseinspannung ist die gleichmässige, linienförmige, elastische Lagerung. Zu hohe punktuelle Krafteinwirkungen können zu Glasbruch führen.
Ziel einer Glaseinspannung ist die gleichmässige, linienförmige, elastische Lagerung. Zu hohe punktuelle Krafteinwirkungen können zu Glasbruch führen.

 

Kantenschutz und Delamination

Ob ein Glaskantenschutz notwendig ist, ist nicht nur eine technische, sondern auch eine gestalterische Frage. Während ein filigranes U-Profil die Kante schützt und eine gewisse Zusatzstabilität schafft, empfinden Architekten und Nutzer diesen gerne als störend. Bei Verwendung von Kantenschutzprofilen ist eine kontrollierte Entwässerung, etwa durch unterbrochene Silikonfugen, vorzusehen, um Feuchtigkeitseinträge und damit verbundene Delaminationen der Verbundfolie zu verhindern. VSG kann durch Wasseraufnahme oder Weichmacherwanderung Schaden nehmen – vollständig vermeidbar ist dies bislang nicht.

Fortbildung und Verantwortung

Planer, Bauherren und Ausführende sollten sich regelmässig über neue Richtlinien und Entwicklungen informieren. Die SIGAB bietet entsprechende Schulungen zur Anwendung der Richtlinie SR-004 an – sowohl als Präsenzseminar als auch in Form individueller Beratungen oder Webinare.
Wichtig bleibt: Die Einhaltung aller Normen und Richtlinien ist nicht nur rechtlich verbindlich, sondern auch eine Voraussetzung für die dauerhafte Sicherheit von Glasgeländern im Bauwerk. Unsachgemässe oder nicht normgerechte Systeme gefährden nicht nur Menschenleben, sondern auch den Ruf und die Haftung der Beteiligten.

Fazit

Ganzglasgeländer sind anspruchsvolle Konstruktionen, die höchste Sorgfalt in Planung und Ausführung verlangen. Die Berücksichtigung statischer Anforderungen, normgerechter Glasdicken, geeigneter Befestigungssysteme und durchdachter Detailanschlüsse ist unverzichtbar. Nur durch konsequente Beachtung der geltenden Normen – insbesondere SIA 2057 und SIGAB-Richtlinie 004 – kann ein sicheres, langlebiges und ästhetisch überzeugendes Ergebnis gewährleistet werden. 

 

Normen, Merkblätter und Richtlinien zu Ganzglasgeländern

Merkblatt SIA 2057 (Bezug beim SIA-Shop).

Merkblatt TK 011 «Risikobeurteilung – Vertikalverglasungen mit Einscheibensicherheitsglas»
Merkblatt TK 007 «Geländer auf Flachdächern»
Merkblatt TK 005 «Dachhautdurchdringungen»
Richtlinie TR 001 «Bemessung von Geländern»
Gratis Download auf www.metaltecsuisse.ch unter Technik / Merkblätter.

Weitere technische Informationen: www.sigab.ch