Mai 2018
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Glasbemessung – unklare Situation bei Geländern aus Glas

INTRO

«Kritisch wird es nur, wenn der Bauherr nach Abschluss der Arbeiten die entsprechenden Nachweise einfordert oder sich ein Schadenfall ereignet.»

Immer wieder erhalte ich Anfragen für die Bemessung von Bauteilen aus Glas. In der Schweiz existieren derzeit für die Bemessung von Glas keine Normen. Es gibt vom Schweizerischen Institut für Glas am Bau (SIGAB) einige Merkblätter und Empfehlungen. Vom Schweizerischen Ingenieur- und Architektenverein (SIA) gibt es bisher dazu lediglich die Tragwerksnormen (SIA 260 ff.) welche sich auf Beton, Stahl -und Holz beziehen.
Ingenieure, die Bauteile aus Glas bemessen,greifen daher auf existierende Normen aus den Nachbarländern zurück. So gibt es in Deutschland die Normenreihe DIN 18008 und in Österreich die Normenreihe ÖNORM B 3716. Europäisch herrscht seit Jahren kein Konsens , wie die Bemessung von Glas erfolgen soll.
Insbesondere Verbundsicherheitsgläser (VSG) sind in der Theorie sehr schwierig zu bemessen. Die oft eingesetzten Folien aus Polyvinylbutyral (PVB) haben Eigenschaften, die sich bei unterschiedlichen Temperaturen und Lasteinwirkungsdauern ändern. Zudem hat das Produkt keine genormten Materialkennwerte. Je nach Hersteller gibt es also bessere oder schlechtere Folien. Seit mehreren Jahren werden nun Platten aus thermoplasten Kunststoffen eingesetzt. Diese haben wesentlich bessere Eigenschaften als die PVB-Folien, insbesondere haben sie eine hohe Schubsteifigkeit, die zu dünneren Gläsern führt. Sie sind jedoch auch um einiges teurer und die Möglichkeiten bei den Formaten sind etwas eingeschränkt.
Bei der Anwendung für Standardgeländer mit einer Höhe von 1000 mm ab Fertigboden und versenktem Glasschuh-Profil erhält man bei einer seriösen Berechnung einen Glasaufbau aus Floatglas 2 ³ 12mm mit PVB-Folie. In der Branche findet man des Öfteren Anbieter, die sogenannte Nachweise mit einem Aufbau von 2 ³ 10mm anbieten. Die so unterdimensionierten Lösungen bringen wieder einmal dem unseriösen Anbieter Wettbewerbsvorteile und der seriöse Anbieter – dem die Sicherheit des Produkts und das Einhalten des Stands der Technik ein wichtiges Anliegen sind – Nachteile.
Bis dato existieren in der liberalen Schweiz keine entsprechenden Baubehörden, die Nachweise einfordern. Daher verbaut der unseriöse Anbieter meist ohne Probleme die Geländer. Kritisch wird es nur, wenn der Bauherr nach Abschluss der Arbeiten die entsprechenden Nachweise einfordert oder sich ein Schadenfall ereignet. Schadenfälle werden, sofern es keine Personenschäden gibt, kaum publik gemacht. Die Schadenexperten des AM Suisse beurteilen häufig unterdimensionierte Bauteile und haben daher Kenntnis von der Situation.
Der SIA erarbeitet seit zwei Jahren zusammen mit der Hochschule Luzern, dem AM Suisse, dem SIGAB und der SZFF eine schweizerische Norm zur Bemessung von Glasbauteilen. Es ist zu hoffen, dass mit einer schweizerischen Norm das Problem im Sinne der seriösen Unternehmer entschärft werden kann.