
Nachfolgeregelung
Unternehmensnachfolge: Eine komplexe Herausforderung
Die Regelung der Nachfolge in KMU ist ein zentraler Schritt, der individuell gestaltet werden muss. Dabei gibt es keine universelle Lösung oder ein festgelegtes Schema – jede Nachfolgeregelung ist einzigartig und stellt Unternehmer/innen vor unterschiedliche Herausforderungen.
In diesem Beitrag zum Thema Unternehmensnachfolge betrachten wir ein Szenario, bei dem es komplett an einer klaren Perspektive fehlt. Ein Unternehmer im nahenden Pensionsalter steht ohne Nachfolger und ohne Plan da. Die drängenden Fragen lauten: Ist das Unternehmen überhaupt zukunftsfähig? Welche Schritte müssen unternommen werden, um einen geeigneten Nachfolger zu finden? Und – wie spricht man mit externen Interessenten, die an einem Kauf interessiert sind?
Emotionen und Interaktionen
Die Nachfolgeregelung ist nicht nur eine wirtschaftliche oder organisatorische Aufgabe, sondern vor allem eine menschliche. Sie bringt zahlreiche emotionale Herausforderungen mit sich. Es geht um Rollenwechsel, Lebensziele, Loslassen und Verantwortungsübernahme.
Wie gelingt es beispielsweise dem Metallbauunternehmer Hanspeter Rufener, sein Lebenswerk weiterzugeben und einen externen Nachfolger in die bestehende Struktur einzubinden? Wie werden Mitarbeitende und Kunden den potenziellen Nachfolger akzeptieren?
Metallbau Rufener AG: Eine erfolgreiche Geschäftsübergabe
40 Jahre nach der Gründung übergab Hanspeter Rufener am 1. Juli 2022 sein Metallbauunternehmen an Raphael Schneider. Im Gespräch mit Sven Sievi, Präsident AM Suisse Bern, blicken der Übergeber und der Übernehmer zurück und erklären, was es für eine erfolgreiche Geschäftsübergabe braucht.
Sven Sievi stellt die spezifischen Fragen:
Wann haben Sie erstmals daran gedacht, Ihr Unternehmen zu übergeben?
Hanspeter Rufener: Bis ich 60-jährig war, habe ich nicht daran gedacht. Mit 62 kam diese Frage dann immer näher, aber ich hatte bei all der Arbeit keine Zeit und wusste auch nicht, wie ich diesen Prozess angehen sollte und wer mich dabei unterstützen könnte.
Wann haben Sie sich erstmals damit beschäftigt, Unternehmer zu werden?
Raphael Schneider: Eigentlich schon nach meiner Lehre als Elektromonteur. Ich habe dann die Berufsmaturität gemacht und an einer Fachhochschule Wirtschaftsingenieur studiert. Ich war in der Baunebenbranche tätig und hatte Spass an Führungsaufgaben. Über den Marktplatz des KMU-Nachfolgezentrums kam dann der Kontakt zu Hanspeter zustande.
Wie kam es dazu?
Hanspeter Rufener: Mein Sohn arbeitet zwar im Betrieb, aber aus persönlichen Gründen kam eine Nachfolge für ihn nicht in Frage. Eine Lösung mit einem langjährigen Mitarbeiter kam ebenfalls nicht zustande. Ein weiterer Übernehmer hat mir kurz vor der Unterschrift der Verträge abgesagt. Somit war ich wieder auf «Feld eins». Da erinnerte ich mich an einen Vortrag des KMU-Nachfolgezentrums Bern bei der Raiffeisenbank.
Wie ging es weiter?
Raphael Schneider: Wir kamen Anfang Januar 2022 zusammen. Die Chemie stimmte von Anfang an. Wir haben einen straffen Zeitplan aufgestellt und am 1. Juli 2022 fand die Übergabe statt.
Welche Bedeutung hatte die externe Begleitung?
Raphael Schneider: Die Banken haben in solchen Situationen ja eher die Sicht des Übergebers, weil sie mit diesem schon eine Geschäftsbeziehung haben. Am Ende muss es aber für beide Parteien fair sein, nicht nur finanziell. Es muss einfach alles passen.
Hanspeter Rufener: All die notwendigen Vorbereitungsarbeiten, die Verträge und das Finanzielle (Steuern, Treuhänder etc.) hätte ich neben der täglichen Arbeit nicht ohne Unterstützung erledigen können.
Wie gingen Sie gegenüber Mitarbeitenden und Kunden vor?
Raphael Schneider: Ein erster Kontakt mit dem Team fand bereits im März 2022 statt. Ich kam ja von ausserhalb des Metallbaus. Das war aber kein Problem. Wichtig war und ist, Interesse zu haben, lernen zu wollen, das grosse fachliche Know-how der Mitarbeitenden im Betrieb abzuholen und sie einzubeziehen. Im Bereich Führung hatte ich zudem Erfahrung, was mir sehr geholfen hat.
Hanspeter Rufener: Ich hatte Kunden, mit denen ich seit 30 oder sogar 40 Jahren zusammenarbeitete. Da kamen natürlich schon Fragen, wie es weitergeht. Bereits nach der unterzeichneten Absichtserklärung haben wir die Kunden angeschrieben und danach immer wieder in persönlichen Gesprächen informiert. Wir gingen auch nach der Übergabe in einer ersten Phase zusammen zu den Kunden. Die Information der Kunden war ganz wichtig, denn sie wollten wissen, was sich tut.
Wie ging dann die Zusammenarbeit nach der Übergabe weiter?
Raphael Schneider: Hanspeter war bis Ende 2022 zu 70% und 2023 noch zu 30% angestellt: Heute unterstützt er mich noch bei Fragen und hilft uns immer noch mit grosser Hingabe. Dieser Plan war von Anfang an klar und hat sich sehr bewährt.
War es nicht schwierig loszulassen?
Hanspeter Rufener: Nach der Übergabe habe ich zuerst gedacht: «Jetzt braucht es meinen vollen Einsatz.» Ich habe dann aber rasch gemerkt, dass Raphael selber will und ein Unternehmer von A bis Z ist. Ich liess ihn dann machen und hatte dabei immer ein sehr gutes Gefühl. Das hat mir die Übergabe sehr erleichtert. Auch die positiven Rückmeldungen der Kunden haben mir gezeigt, dass ich richtig entschieden hatte.
Was sind rückblickend Ihre wichtigsten Erkenntnisse?
Hanspeter Rufener: Eine Geschäftsübergabe braucht viel Zeit. Eigentlich sollte man ab dem Alter von 50 Jahren beginnen, sich damit zu beschäftigen. Das Unternehmen muss für eine Übergabe ja fit gemacht werden. Das benötigt Zeit. Auch steuerlich ist eine langfristige Planung wichtig. Und dann kann es wie in meinem Fall auch vorkommen, dass eine als sicher geglaubte Lösung doch nicht funktioniert. Zudem ist eine Begleitung, die mit den KMU- Anliegen und mit der Branche vertraut ist, wichtig.
Raphael Schneider: Ja, für mich als Übernehmer im Alter von 32 Jahren ohne Erfahrungen als Unternehmer war das Vertrauen in die externe Begleitung zentral. Natürlich war es auch wichtig, dass ich ein gesundes Unternehmen mit einer guten Basis übernehmen konnte. Dass die Infrastruktur stimmte, das Team funktionierte und auch die Kunden im Boot waren, gab mir Sicherheit und Ruhe.
Nachfolgeregelung: Ein Teamsport
Eine erfolgreiche Nachfolge erfordert Zusammenarbeit. Ob innerhalb der Familie, im Unternehmen oder zwischen Verkäufer und Käuferin – der Prozess ist von Interaktion und gegenseitigem Austausch geprägt. Doch gerade bei diesen entscheidenden Schritten ist die Unterstützung durch eine erfahrene, externe Fachperson oft unverzichtbar.
Ein Vergleich: Wer ein Haus baut, arbeitet mit einem Architekten zusammen. Für eine komplexe Operation sucht man den Rat eines erfahrenen Chirurgen. Ebenso ist die Nachfolgeregelung eine Aufgabe, bei der Expertise und professionelle Begleitung entscheidend sind. ■
Erfolgsfaktoren für die Nachfolgeregelung
Zwar gibt es keine starren Vorgaben, doch die Erfahrung zeigt, dass bestimmte Prinzipien die Basis für eine gelungene Unternehmensübergabe bilden:
1. Rechtzeitig planen:
Mindestens fünf bis zehn Jahre vor dem Übergang sollte mit der Planung begonnen werden.
2. Zukunftsfähigkeit sichern:
Das Unternehmen muss unter neuer Führung tragfähig aufgestellt sein.
3. Offene Kommunikation:
Ehrlichkeit und Transparenz gegenüber Familienmitgliedern und potenziellen Nachfolger/innen sind essenziell.
4. Finanzielle Absicherung:
Sowohl für die Unternehmer/innen als auch für das Unternehmen sollte finanzielle Stabilität gewährleistet sein.
5. Qualifikation sicherstellen:
Die Nachfolger/innen müssen die notwendigen Kompetenzen mitbringen.
6. Klare Vereinbarungen treffen:
Rollen, Übergangszeitpunkte und andere Aspekte sollten verbindlich geregelt sein.
7. Externe Unterstützung einholen:
Fachkundige Beratung erleichtert den Prozess erheblich.
8. Emotionen berücksichtigen:
Spannungen und Konflikte frühzeitig erkennen und lösen.
9. Loslassen bewusst vorbereiten:
Raum für Neues schaffen und sich auf die Zeit nach der Übergabe einstellen.
10. Mitarbeitende einbinden:
Frühzeitige Information und Integration der Belegschaft sind entscheidend.
Die Unternehmensnachfolge ist nicht nur ein organisatorischer, sondern auch ein emotionaler und strategischer Prozess – sie ist das Meisterstück eines Unternehmers oder einer Unternehmerin.

kazi@kmu-nachfolgezentrum.ch
KMU-Nachfolgezentrum
Das KMU-Nachfolgezentrum hat seit seiner Gründung 2006 weit über 500 kleine und mittlere Unternehmen erfolgreich bei der Nachfolgeregelung unterstützt. Neben der Moderation und Beratung engagiert sich das KMU-Nachfolgezentrum auch in der Öffentlichkeit und will so Unternehmer/innen und Gesellschaft dafür sensibilisieren, dass in den nächsten Jahren in der Schweiz 90 000 KMU – jedes fünfte KMU – ihre Nachfolge lösen sollten.
www.kmu-nachfolgezentrum.ch