
Treppen und Geländer
Treppenkunst im Alba-Haus
Das «Alba-Haus» in Allschwil, am Stadtrand von Basel, gilt als Symbol für zukunftsorientiertes Denken und Handeln. Der ökologisch erstellte und ebenso nachhaltig betriebene Bau mit seinen transparenten Glasbändern und den markanten Betonriegeln prägt die Umgebung auf eindrückliche Weise. Bereits in der Eingangshalle zieht eine ungewöhnliche Treppenanlage die Blicke auf sich: eine Stahl-Holz-Treppe, die nicht nur funktional, sondern auch ein kleines Meisterwerk der Ingenieurskunst ist. Was diese Treppe so besonders macht – technisch wie gestalterisch – erfahren Sie im Beitrag.
An einem städtebaulich prominenten Ort, wo Allschwil sich als Tor zu Basel öffnet, erhebt sich ein selbstbewusster Baukörper: das «Alba-Haus». Konzipiert von den renommierten Architekten Herzog & de Meuron, stellt es mit seiner gläsernen Fassade und dem klaren Raster aus filigranen Betonriegeln ein starkes architektonisches Statement dar.
Doch das Alba-Haus ist nicht nur eine Formschönheit, sondern auch ein Statement für Nachhaltigkeit: Der Verzicht auf fossile Energieträger, der Einsatz von Erdwärme, Photovoltaik sowie der Bezug von Ökostrom machen den Bau zu einem Paradebeispiel für verantwortungsvolles, energieeffizientes Bauen.
Das zehnstöckige Gebäude bietet dank einer klaren Platten-Stützen-Konstruktion maximale Flexibilität bei der Nutzung – und jede Menge Licht. Die zentrale Erschliessung mit freistehendem Kern erlaubt nicht nur grosszügige Grundrisse, sondern lässt auch Raum für gestalterische Highlights. Eines davon empfängt die Besucher gleich im Eingangsbereich.
Ein Blickfang mit Tiefgang
Wer das Foyer betritt, bleibt unweigerlich an ihr hängen: Die zentrale Treppe, die vom Erdgeschoss ins erste Obergeschoss führt, wirkt auf den ersten Blick fast wie eine Skulptur. Wuchtig im Volumen, gleichzeitig leicht in der Erscheinung. Gefertigt wurde sie von der Stöcklin Metallbau AG aus Ettingen – einem Unternehmen, das sich mit dem Anspruch «Funktion und Form im Gleichgewicht» hier seine Kompetenzen unter Beweis gestellt hat. Die Treppe lebt von der spannungsvollen Kombination ihrer Materialien. Schwarzer Stahl trifft auf warmes Eichenholz, glatte Flächen kontrastieren mit filigranen Edelstahlseilen. Wer sie begeht, spürt die Qualität der Verarbeitung: Die Tritte aus robustem Holz liegen ruhig und sicher, die Handläufe sind angenehm temperiert.
Wer den direkten Weg zum Restaurant im Erdgeschoss nimmt, wird nicht darum herumkommen, einen Blick an die Unterseite der Treppe zu werfen und die Stahlkonstruktion zu fokussieren. Ob von oben oder von unten betrachtet, die Treppenanlage ist eine Augenweide. Der gelungene Materialmix in Kombination mit einer anspruchsvollen Technik macht sie einzigartig.
«Einzigartig ist die Bauweise», erklärt Ruprecht Menge, Leiter Stahl- und Metallbau der Stöcklin AG Ettingen, gegenüber der «metall» und ergänzt: «Die filigrane Tragkonstruktion, die angenehmen Holzstufen und die wie schwebend wirkenden Handläufe in Kombination mit den gespannten Edelstahl-Drahtseilen machen es aus. Und dies nicht nur im Bereich der Treppe mit ihrer Galerie, sondern auch rund um das angrenzende Atrium.»
Ingenieurskunst sichtbar gemacht
Die Drei-Holm-Treppe erschliesst von der Eingangshalle her das erste Obergeschoss. Überwindet mit 26 Stufen eine Höhe von 5,02 m. Oben beim Austritt schliesst sie an den grosszügigen Galerieausschnitt an, der dreiseitig umlaufend mit Metallgeländern und Drahtseilfüllungen versehen ist. Unten sind die tragenden Holme unter dem Bodenaufbau geführt und tragen die Lasten auf den Betonboden ab. Die Treppe hat eine Breite von 3,20 m und eine Lauflänge von 10 m. Die primäre Tragkonstruktion wird von drei Stahlholmen aus RHS 150 x 100 x 5 gebildet, die im unteren Drittel durch ein auf Stützen stehendes Querjoch aus RHS 150 x 100 x 5,4 respektive zwei Stützen aus RRK 100 x 100 x 5,4 vertikal und horizontal stabilisiert werden.
Zur stabilen Auflage und Befestigung der Holzstufen sind an den drei Holmen jeweils einzelne Flachstahlbügel mit horizontaler Auflagefläche aufgeschweisst. Die vom Schreiner erstellten Holzstufen bestehen im Wesentlichen aus einer stabilen Trägerplatte und sind auf allen sichtbaren Flächen mit Eichenparkett belegt. Eingesetzte und nach oben durchdringende Gewindehülsen gewähren eine Anbindung der Drahtseilspanner an die Geländerfüllung.
Stabile Geländer für Treppe und Galerie
Die Geländer bestehen primär aus einzelnen Pfosten aus Stahlrohr mit 42,4 mm Durchmesser, einem oberen, durchlaufenden und mit Holz verkleideten Handlaufprofil und vertikalen, schräg verlaufenden Verspannungen aus Edelstahl-Drahtseilen.
Geländerpfosten bei der Treppe:
Sie sind jeweils bis unterhalb des äusseren Holmrohrs geführt und über eine zweischnittige Laschenverbindung mit dem Rohr verschraubt. Eine zusätzliche Stabilisierung resp. Einspannung des Pfostenprofils wird mit der passgenauen Durchdringung der Treppenstufen erreicht.
Geländerpfosten und Spannprofil bei der Galerie:
Diese Rundrohrpfosten sind mit Fussplatten versehen, bis auf den rohen Boden geführt und im Beton stabil verankert. An den einzelnen Fussplatten sind horizontal durchlaufende Winkelprofile angeschweisst. Ihre Gewindebohrungen gewähren eine stabile Befestigung der verstellbaren Augenschrauben zur Spannung der Drahtseile.
Handlaufprofile:
Hergestellt als durchlaufende, U-förmig abgekantete Stahlblechprofile sind sie oben auf die Geländerpfosten verschraubt. Eingeheftete Langmuttern gewähren eine stabile und variabel verstellbare Befestigung der Augenschrauben und somit ein zusätzliches, selektives Spannen der Drahtseile.
Drahtseile und Spannmechanismus:
Die oben und unten am Geländer eingedrehten Augenschrauben weisen Abstände von jeweils 94 mm auf und stehen – die oberen zu den unteren – um 47 mm versetzt zueinander. Diese Versetzung generiert die schräg verlaufende, V-förmige Seilführung.
Spannung bis ins Detail
«Eine echte Herausforderung für unser Team bildete die optimale und gleichmässige Zugspannung der Edelstahlseile, die selbstverständlich die Absturzsicherheit und somit Normen und Gesetzte einhalten und erfüllen muss», so Ruprecht Menge. «Bereits in der Angebotsphase war uns diese Herausforderung bewusst und wir entwickelten entsprechende Lösungsansätze. Tatsache ist, dass wir keine anwendbaren Berechnungsprogramme ausmachen konnten. Somit entschieden wir uns für eine Versuchsstrategie und bauten verschiedenste Test- und Verbauungslehren, die schliesslich langfristig gleichmässige und absolut stabile Spannungen gewährleisten. Ein wesentlicher Faktor liegt auch darin, dass wir mit relativ kurzen Seillängen gearbeitet haben.»
Funktionalität trifft Atmosphäre
Besonders beeindruckend ist, wie die Treppe als architektonisches Bindeglied fungiert: Sie verbindet nicht nur zwei Geschosse, sondern schafft auch eine Verbindung zwischen Technik und Gestaltung, zwischen Funktion und Emotion. Die darunterliegende Stahlstruktur tritt nur bei gezieltem Hinschauen in Erscheinung – eine Einladung an den aufmerksamen Beobachter.
Die umlaufende Galerie im Obergeschoss greift die Gestaltung des Treppengeländers auf. Auch hier dominieren runde Stahlpfosten, gespannte Seile und die charakteristischen Handläufe. Ein formaler Dialog, der den Raum zusammenhält und gleichzeitig strukturiert.
Fazit: Eine Treppe, die mehr als eine Treppe ist
Im Alba-Haus ist die Treppe mehr als ein Mittel zum Zweck – sie ist Ausdruck eines ganzheitlichen Bauverständnisses. Technische Präzision, nachhaltige Materialien und gestalterische Klarheit vereinen sich hier zu einem Objekt, das ebenso funktional wie faszinierend ist.
Sie ist ein Beispiel dafür, wie selbst alltägliche Bauteile durch gute Planung, Mut zum Detail und handwerkliche Exzellenz zu architektonischen Highlights werden können.
Ein echter Hingucker – und ein starkes Stück Baukultur. ■
Bautafel
Objekt:
ALBA HAUS, Allschwil / Basel
Bauherrschaft:
JP Bachgraben AG, Basel
Architekt:
Herzog & de Meuron, Basel
Schreiner:
Lachenmeier AG, Basel
Metallbau:
Stöcklin AG, Metallbau Stahlbau Signalisation, Ettingen