

Riesenhubtore für den «Papillon» in Bern
Tortechnik
Mitten in Bern steht ein Bauwerk, das Architektur und Technik auf höchstem Niveau vereint: das Tramdepot «Papillon». Eines der Herzstücke sind die besonderen Hubtore, die – trotz beengter Platzverhältnisse, Glasfassade und hohen Sicherheitsanforderungen – geräuscharm, zuverlässig und präzise funktionieren.
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Tortechnik
Riesenhubtore für den «Papillon» in Bern
Mitten in Bern steht ein Bauwerk, das Architektur und Technik auf höchstem Niveau vereint: das Tramdepot «Papillon». Eines der Herzstücke sind die besonderen Hubtore, die – trotz beengter Platzverhältnisse, Glasfassade und hohen Sicherheitsanforderungen – geräuscharm, zuverlässig und präzise funktionieren.
Mitten im Herzen der Berner Verkehrsinfrastruktur liegt ein Gebäude, das auf den ersten Blick eher wie ein modernes Kunstwerk als wie eine klassische Fahrzeughalle anmutet. Die Grossgarage für die Berner Trams, von den Architekten Penzel Valier entworfen und liebevoll «Papillon» genannt, ist ein architektonisches wie technisches Highlight. Auf einer Fläche so gross wie zwei Fussballfelder – rund 200 Meter lang und knapp 70 Meter breit – bietet sie Platz für 60 Trams. Doch im Zentrum dieses spektakulären Projekts stehen nicht nur die Fahrzeuge oder das Design, sondern vor allem eine hochkomplexe, automatische Hubtoranlage.
Diese Tore sind keine gewöhnlichen Industrieportale, sondern technische Sonderlösungen, massgeschneidert für ein anspruchsvolles Umfeld mit engen Platzverhältnissen, hohen Sicherheitsanforderungen und einem nicht minder hohen gestalterischen Anspruch. Der Auftrag für Planung und Ausführung ging an die auf Sondertüren und -tore spezialisierte Hodapp GmbH & Co. KG aus dem badischen Achern – ein Unternehmen, das Erfahrung mit aussergewöhnlichen Tor-Projekten mitbringt.
Anforderungen jenseits des Standards
Schon zu Beginn des Projekts stellte sich heraus, dass eine Standardlösung hier nicht ausreichen würde. Die Tore mussten in das architektonische Gesamtkonzept integriert werden, ohne sich gestalterisch aufzudrängen. Gleichzeitig sollten sie robust genug sein, um tagtäglich unter realen Verkehrsbedingungen zu funktionieren – und das bei gleichzeitig beengten Einbausituationen.
Ursprünglich war für die Antriebe der automatischen Hubtore eine hydraulische Technik vorgesehen. Doch aufgrund des geringen Platzangebots vor Ort war diese Lösung nicht umsetzbar. Stattdessen fiel die Wahl auf einen Seilwindenantrieb, wie man ihn sonst aus der Theaterbühnentechnik kennt. Eine Entscheidung, die sich als ebenso innovativ wie effektiv erwies. Dank cleverer Seilführung und Mitnahmekomponenten am Torflügel, konnte der Antrieb in den begrenzten Raum integriert werden, ohne Abstriche bei der Funktionalität zu machen.
Die Herausforderung lag nicht nur in der Integration, sondern auch in der Kontrolle. Eine spezielle Schlaffseilsicherung gewährleistet die konstante Spannung des Ziehseils zwischen Antrieb und Türflügel – selbst bei Dachabsenkungen. Eine elektronisch gesteuerte Nachstellung sorgt dafür, dass diese Spannung auch im Stand erhalten bleibt. Möglich wird dies durch eine gezielte Umlenkung des Seilsystems, das in Kombination mit einer elektronisch geregelten Nachstellung ein Höchstmass an Betriebssicherheit garantiert.
Unsichtbare Technik an der Glasfassade
Ein weiterer Wunsch des Auftraggebers war, dass die Tore in geschlossener Position vollständig in die Glasfassade integriert erscheinen sollen. Technische Elemente durften optisch nicht in Erscheinung treten. Dies stellte zusätzliche Anforderungen an Materialien und Aufbau. So wurde statt des ursprünglich vorgesehenen Einscheibensicherheitsglases (ESG) Verbundsicherheitsglas (VSG) verwendet – bei Glasschäden ein entscheidender Schritt für die Sicherheit von Personen in der Nähe der Tore. Sollte es zu einem Glasbruch kommen, bleibt die Scheibe im Verbund erhalten und bietet Schutz vor Splittern.
Mit der Stabilität der gewählten Stahlbautechnik und der vorgesetzten Fassade war es möglich, auch ohne Einsatz von Normprofilen, die Nachweise für die Standsicherheit der Toranlage zu gewährleisten. Durch die geneigte Attikafläche und den Fassadenverlauf mitsamt der Wasserführung des Dachflächenwassers mussten zusätzliche Dichtebenen geschaffen werden, die auch bei winterlichen Verhältnissen funktionssicher sein müssen.
Präzision im Millimeterbereich
Im oberen Viertel der Flügel gewähren die Halterungen der Flügel eine Einspannhöhe von 1,0 bis 1,2 Meter. Die Produkte für die Torführung kommen aus dem Linearführungsbereich für Schwerlastsysteme und sind aus hochwertigem Stahl S450 J2 gefertigt. Nur mit den dazu passenden Kombirollen war es möglich, die Radial- und Axialbelastungen auf kleinstem Raum aufzunehmen. Hierbei mussten über Rollenhalterungen die hohen Kräfte in die Dachkonstruktion abgeleitet werden.
Neben der statischen und dynamischen Belastung war aufgrund der kurzen Einspannlänge die Einhaltung der maximal möglichen Flächenpressung eine besondere Herausforderung. Trotz der konstruktiven Besonderheiten konnten die Werte für die erforderliche Standsicherheit nach SN EN 1990 erreicht werden. Bei geöffneten Toren ragt die obere Hälfte des Torblatts über die Dachfläche hinaus. Daher mussten in den statischen Berechnungen sowohl Windlasten als auch weitere Witterungseinflüsse berücksichtigt werden. Weiterhin ist eine Seite der über die Dachfläche hinausragenden Tore auch die Innenseite, sodass nicht nur für die Führungstechnik, sondern ebenso für die gesamte Toranlage, innen wie aussen, ein entsprechender Korrosionsschutz sichergestellt werden musste.
«Nach über 10 000 Testzyklen wurde die Funktionstauglichkeit inklusive Notfallbetrieb vollumfänglich nachgewiesen.»
Sicherheit auf mehreren Ebenen
Das Thema Sicherheit spielte in allen Planungsphasen eine zentrale Rolle. Die Tore selbst wiegen zwischen 3,5 und 5 Tonnen – entsprechend wurde eine doppelt autark wirkende, mechanische Fangsicherung integriert. Diese wurde nicht nur in einem aufwendigen Mockup-Test durch eine akkreditierte Zertifizierungsstelle geprüft, sondern auch real am Objekt durch einen simulierten «Ist-Fall» getestet. Nach über 10 000 Testzyklen wurde die Funktionstauglichkeit inklusive Notfallbetrieb vollumfänglich nachgewiesen.
Eine der weiteren Herausforderungen dieses technisch hoch anspruchsvollen Bauvorhabens war die Lösung bezüglich der Abdichtungen. Diese mussten den Anforderungen der sich vertikal bewegenden Torflügel, der Lage der Fahrdrahtleitung und dessen Absenkung, der Dachlast mit einer möglichen Absenkung von bis zu 20 cm und den elektrotechnischen Sicherheitsabständen standhalten. Dies war nur mit einer autark wirkenden, mechanisch zwangsgeführten Freifahrung möglich. Die mechanischen Bauteile inklusive der Dichtungsprofile wurden zudem, für die Sicherstellung von deren Funktion im Winter, beheizbar ausgeführt.
Personenschutz auf Bodenniveau
Um eine unerlaubte Mitfahrt von Personen beim Öffnungsvorgang der Hubtore zu verhindern, musste die Fläche der unteren inneren Rahmentiefe mit einer elektrisch überwachten Klappe gesichert werden. Der Flügel steht mechanisch über Abstandselemente auf dem Boden auf. Die Flügel sind zum Boden hin über grossvolumige Gummiprofile abgedichtet. Die Bautiefe der Toranlage erforderte eine räumliche Anpassung mit Sicherheitsleisten. Diese Sicherheitsleisten mussten für den Personenschutz, für eventuell auf dem Boden liegende Personen, auf die komplette Tiefe der Toranlage wirken und sind mit rund zehn Millimetern Abstand zum Boden montiert. Wenn diese elektrischen Sicherheitsleisten an einen Widerstand gedrückt werden, stoppt die Toranlage und fährt unter Einhaltung des Nachlaufwegs wieder hoch. Hierbei galt es wiederum, die besonderen Sicherheitsanforderungen aus der Bahntechnik zu berücksichtigen. Um Personen- und Betriebsmittel zu schützen, wird der Torbereich mit Rotorscannern überwacht, wobei ein Vorwarnteleskop die Bewegung der Hubtore zeigt und die angebauten Ampelanlagen eine mögliche Ein-/Ausfahrt der Trams signalisieren.
Fazit: Massarbeit für die Mobilität von morgen
Die Tore am Berner Tramdepot «Papillon» sind mehr als nur bewegliche Barrieren – sie sind hochentwickelte technische Systeme, die Architektur, Funktionalität und Sicherheit in Einklang bringen. Jedes Detail, von der Antriebstechnik bis zur Dichtungslösung, wurde individuell geplant und umgesetzt. Die Zusammenarbeit von Bernmobil, dem Architekturbüro Penzel Valier und Hodapp zeigt, wie modernes Ingenieurwesen dazu beiträgt, Infrastrukturprojekte nicht nur funktional, sondern auch zukunftssicher zu gestalten.
Ein Video, das das Schliessen der Torfront zeigt, finden Sie hier. ■
Bautafel
Objekt:
Tramdepot «Papillon», Bern
Bauherrschaft:
Bernmobil, Bern
Architekt:
Penzel Valier AG, Zürich
Torlieferant:
Hodapp GmbH & Co. KG, Achern (D)