Dezember 2025
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Gläserner Felsen auf der Loreley

Glastechnik / Montagen

Hoch über dem rechten Rheinufer, auf dem Loreleyfelsen bei Sankt Goarshausen, ist eine Ausstellungshalle mit einer futuristischen Überdachung in Form eines unregelmässigen Kristalls aus Stahl und Glas entstanden. Das vollständig digital geplante Bauwerk verlangte sowohl in seiner komplexen Konstruktion als auch in der Ausführung höchste Präzision und Effizienz.


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Hoch über dem Rhein: Durch die unregelmässige Form der facettierten Hallenüberdachung ist jeder Knotenpunkt, jeder Träger und jede Glasfläche individuell geformt.
Hoch über dem Rhein: Durch die unregelmässige Form der facettierten Hallenüberdachung ist jeder Knotenpunkt, jeder Träger und jede Glasfläche individuell geformt.

 

Glastechnik / Montagen

Gläserner Felsen auf der Loreley

Hoch über dem rechten Rheinufer, auf dem Loreleyfelsen bei Sankt Goarshausen, ist eine Ausstellungshalle mit einer futuristischen Überdachung in Form eines unregelmässigen Kristalls aus Stahl und Glas entstanden. Das vollständig digital geplante Bauwerk verlangte sowohl in seiner komplexen Konstruktion als auch in der Ausführung höchste Präzision und Effizienz.

Text: Frener & Reifer GmbH / Bilder: Lars Gruber

Über 8 m hoch, 12 m breit und fast 16 m lang: Die Dachkonstruktion der neuen Ausstellungshalle auf der Loreley – ein Kristall oder stilisierter gläserner Felsen – ist ein faszinierendes Bauwerk. 102 Glasscheiben werden von einem 18,5 t schweren Stahlskelett mit 59 Knotenpunkten in Form gehalten. Das Dach bildet ein Konstrukt, jenseits romantischer Klischees, errichtet an einem Ort, der als Inbegriff der Rheinromantik gilt und ein beliebtes Ausflugsziel darstellt.

 

Touristische und kulturelle Aufwertung

Der Loreleyfelsen ist eine 132 m hohe Schieferwand, gelegen an der tiefsten und engsten Stelle des Mittelrheins. Er erhebt sich steil am rechten Rheinufer und bietet einen beeindruckenden Blick auf die Flussschleife bei Sankt Goarshausen sowie auf die Burg Katz. Um diesem touristischen Anziehungspunkt – einem integralen Bestandteil des Unesco-Welterbes Oberes Mittelrheintal – mehr Strahlkraft und Präsenz zu verleihen, lobte der Planungsverband «Loreley» im Juli 2014 einen einstufigen Ideen- und Realisierungswettbewerb aus. Nach den Entwürfen vom «Werkteam Loreley» unter Leitung des Architekturbüros baukonsult-knabe GmbH, entstand ein freistehendes Ausstellungsgebäude mit einem teilweise unterirdischen Sockelgeschoss. Im neuen Bauwerk befindet sich die Expositionshalle, wo der Mythos der Loreley in einer Ausstellung dokumentiert wird. Überdacht wird das Gebäude von einer ikonischen Glas-Stahl-Konstruktion, die dem Loreleyfelsen einen wahrlich futuristischen Charakter verleiht. Die Dachkonstruktion hat eine unregelmässige, facettierte Geometrie und besteht aus dreieckigen Glasflächen, die auf einem Raumtragwerk ruhen.
Für die Realisierung dieser technisch anspruchsvollen Struktur wurden die Metall- und Fassadenbauexperten von Frener & Reifer aus Brixen/Südtirol beauftragt. Das Unternehmen ist bekannt für seine weltweit realisierten Fassaden-, Glas- und Metallbaukonstruktionen von höchster Komplexität. Der Leistungsumfang auf der Loreley umfasste die Werkstattplanung, Fertigung und Montage der Stahltragkonstruktion als Raumtragwerk, einschliesslich der darauf abgestimmten gläsernen Hülle. 

Ausbildung eines Knotenpunkts: provisorischer Zusammenbau im Werk von Frener & Reifer.
Ausbildung eines Knotenpunkts: provisorischer Zusammenbau im Werk von Frener & Reifer.

 

Ein gläserner Felsen

Die zentrale Herausforderung in der Planung bestand darin, die komplexe Geometrie des Entwurfs in eine baubare Konstruktion zu übersetzen, die sowohl die statischen, fertigungstechnischen als auch die bauphysikalischen Anforderungen erfüllt. Dabei musste ein Konstruktionsaufbau entwickelt werden, der die unterschiedlichen Toleranzen der verschiedenen Knotenpunkte berücksichtigt.
Die Dachkonstruktion der neuen Mythoshalle auf der Loreley hat die Form eines unregelmässigen Kristalls: Gefräste Freiformknoten verbinden das stählerne Raumtragwerk, das aus lasergeschweissten Primär- und Sekundärträgern besteht. Auf diesem Tragwerk wurden 102 dreieckige Glasflächen montiert und fixiert.
Zur Erfüllung der statischen Anforderungen wurden massive Stahlknoten erforderlich. Diese weisen ein Gewicht von bis zu 330 kg auf und haben ein maximales Format von L 700 x B 500 mm (in Form eines umschriebenen Rechtecks). Durch die unregelmässige Form der facettierten Hallenüberdachung ist jeder Knotenpunkt, jeder Träger und jede Glasfläche individuell geformt. Zudem treffen die Stahlträger in unterschiedlichen Winkeln und Neigungen aufeinander, was die Planung weiter verkomplizierte. Die komplexe Geometrie des Bauwerks erfordert daher ein hohes Mass an technischem und handwerklichem Know-how.
Nach der Fertigung der Einzelteile für die Stahlkonstruktion wurde diese auf dem Werkgelände von Frener & Reifer vormontiert. Anschliessend wurde die gesamte Konstruktion in transportfähige Bauteilgruppen zerlegt und auf Tiefladern zur Baustelle auf der Loreley transportiert.  

Die Verglasung besteht aus dreieckigen Glasflächen, wobei jede Scheibe in ihren Dimensionen individuell ist.
Die Verglasung besteht aus dreieckigen Glasflächen, wobei jede Scheibe in ihren Dimensionen individuell ist.

 

 

Beispiel: 3D-Plan Schweissknoten Typ A01.
Beispiel: 3D-Plan Schweissknoten Typ A01.

 

Jeder Montageschritt eine besondere Herausforderung

Nach dem Aufbau der Stahlkonstruktion über der neuen Mythoshalle erfolgte die Montage der Gläser, die auf dem Tragwerk befestigt und verklebt wurden. Jeder der einzelnen Montageschritte stellte eine besondere Herausforderung dar: zum einen der hochkomplexe Stahlbau – insbesondere das Manövrieren der sehr schweren Stahlteile, deren Zusammenfügen sowie das präzise Einmessen und Ausrichten; zum anderen die Entwässerung, die Erstellung der Dichtungsebene, der Einbau der Gläser, die Fixierung der Verglasung und das äussere Abdichten der Fassade.
Als besondere Herausforderung stellte sich das Anbringen der Glasfassade im überhängenden Bereich heraus. Für die Montage musste ein komplexes Raumgerüst gestellt werden, das der Geometrie der Stahl-Glas-Konstruktion folgte.
Carsten Haedge, Senior Project Manager bei Frener & Reifer, erläutert: «Die Ausführung der überhängenden Überkopfverglasung stellte eine besondere Aufgabe dar. Für dieses Projekt wurde eine spezifische technische Lösung entwickelt, die es ermöglichte, erstmals auf die in Deutschland sonst vorgeschriebenen Nothalter an der überhängenden Überkopfverglasung zu verzichten – und damit den architektonischen Wünschen des Kunden präzise zu entsprechen.»  

Detailschnitt: Hauptträger mit kleinstem, positivem Winkel.
Detailschnitt: Hauptträger mit kleinstem, positivem Winkel.

 

 

Detailschnitt: Hauptträger mit kleinstem, negativem Winkel.
Detailschnitt: Hauptträger mit kleinstem, negativem Winkel.

 

Anspruchsvolle Verglasung

Die Verglasung besteht aus dreieckigen Glasflächen, wobei jede Scheibe in ihren Dimensionen individuell ist. Die grösste Einzelglasscheibe hat eine Kantenlänge von 5 m, eine Fläche von 8 m² und wiegt 650 kg. Insgesamt haben die Glasflächen ein Gewicht von 28 t.
Die Zweischeiben-Isoliergläser bestehen aus zwei Verbundsicherheitsgläsern und sind allseitig linienförmig auf EPDM-Profilgummi gelagert. Die Verglasungen sind im Scheibenzwischenraum mittels Glashalter (Toggles) fixiert, die in ein U-Profil innerhalb der Randverbundklebung greifen. Diese Art der Halterung wurde gewählt, um sichtbare mechanische Befestigungen im Aussenbereich zu vermeiden. Für die Montage wurden insgesamt 1900 Toggle-Halterungen verwendet, davon 56 unterschiedliche Formate.

Eingangsbereich: Es entstand ein freistehendes Ausstellungsgebäude mit einem teilweise unterirdischen Sockelgeschoss. Darüber thront die ikonischen Glas-Stahl-Konstruktion.
Eingangsbereich: Es entstand ein freistehendes Ausstellungsgebäude mit einem teilweise unterirdischen Sockelgeschoss. Darüber thront die ikonischen Glas-Stahl-Konstruktion.

 

Zwei unterschiedliche Einbausituationen

Aufgrund der Gebäudeform ergeben sich für die Verglasungen zwei unterschiedliche Einbausituationen. Im oberen und vertikalen Bereich der Gebäudehülle (nicht überhängende Einbausituation) sind die Verglasungen in Eigengewichts- und Winddruckrichtung linienförmig gelagert. In der Windsogrichtung wird die innere VSG-Einheit durch Glashalter fixiert, während die äussere VSG-Einheit umlaufend linienförmig durch die tragende Verklebung des Randverbundes gehalten wird. Im unteren Bereich der Gebäudehülle (überhängende Einbausituation) ändert sich die Auflagersituation um 180°. Hier werden die inneren VSG- Einheiten der Verglasungen in Eigengewichts- und Windsogrichtung über die Glashalter gelagert. Zum hoch wirksamen Schutz vor Vogelschlag sind die Glasscheiben mit einem Punktraster versehen. Dazu wurden 3D-Folien im VSG der Aussenscheibe eingesetzt, die mit nach aussen hin spiegelnden Aluminiumpunkten versehen sind. Die Punkte haben einen Durchmesser von 9 mm und einen Abstand von 90 mm zueinander.
Der Fassadenspezialist Frener & Reifer demonstriert bei diesem Projekt seine herausragenden Kompetenzen und Erfahrungen aus internationalen Prestigeprojekten. Komplexe Projekte sind die Spezialität des Südtiroler Unternehmens, dessen Claim «Starting where the others stop» sich auch im gläsernen Kristall auf der Loreley widerspiegelt.

Auf dem Loreleyfelsen, einer 132 m hohen Schieferwand, ist der gläserne Kristall von weither zu sehen.
Auf dem Loreleyfelsen, einer 132 m hohen Schieferwand, ist der gläserne Kristall von weither zu sehen.

 

Rückblick

Josef Hilpold, technischer Projektleiter bei Frener & Reifer, erklärt abschliessend: «Für mich war das Highlight dieses Projekts die technische Herausforderung und die Möglichkeit, Teil des Projektteams zu sein, mit dem wir diese spektakuläre Geometrie umsetzen durften. Es war faszinierend, zu sehen, wie ein solches Projekt Schritt für Schritt wächst und zur Vollendung gelangt – und letztlich zu beobachten, dass diese Sonderkonstruktion wie geplant funktioniert.»   ■

 

Im neuen Bauwerk befinden sich die Expositionshalle, wo der Mythos der Loreley in einer Ausstellung dokumentiert wird.
Im neuen Bauwerk befinden sich die Expositionshalle, wo der Mythos der Loreley in einer Ausstellung dokumentiert wird.

 

 

Statement der Ausführungsplanung

Ausgehend vom architektonischen 3D-Modell ist ein präzises Drahtgittermodell mit einer Genauigkeit von 0,0001 mm entstanden. Dieses Punkt-Linien-Modell bildete die theoretischen Gratkanten der äusseren Glasoberfläche ab und diente als Basis für alle weiteren Verarbeitungsschritte.
Die grossen Differenzen der Knotenwinkel führten zu starken Versprüngen (>50 mm) und Verdrehungen der Nebenträgerachsen. Die Unterkonstruktion der Wasserrinnen musste dadurch an diversen Positionen doppelt asymmetrisch und konisch verlaufen. Spitz zulaufende Glasecken und Gratkanten erforderten individuelle Stufengläser und teils verbreiterte Fugen mit verstärkten Glashaltern.
Jede geschweisste Knoten-Blechwanne ist ein Unikat und verbindet bis zu sechs unterschiedlich ausgerichtete Wasserrinnen. Die massiven Verbindungsknoten der Hauptträger (>950 mm) bestehen aus Freiformflächen, was präzise Befestigungen erschwerte und zu grossen Kragarmen an den Wasserrinnenhaltern führte.
Der gesamte Prozess erfolgte parametrisch in den Programmiersprachen Python und Grasshopper auf Basis von Rhino3D und in Kombination mit branchenspezifischer Software – vollständig modellbasiert, automatisiert und BIM-kompatibel. Jedes Bauteil erhielt einen digitalen «Fingerabdruck» in Form einer Zeichenfolge, welche die eindeutige Identifikation, Standardisierung und automatisierte Weiterverarbeitung ermöglichte.
Stefan Zwicky, Projektleiter Idpartners GmbH, Zürich

 

Zum hoch wirksamen Schutz vor Vogelschlag sind die Glasscheiben mit einem Punktraster versehen.
Zum hoch wirksamen Schutz vor Vogelschlag sind die Glasscheiben mit einem Punktraster versehen.

 

Bautafel 

Bauherr:

Verbandsgemeinde Loreley

Architekt:

Werkteam Loreley Projektgemeinschaft – baukonsult-knabe GmbH, plandrei GmbH, Pohl Architekten, Stadtplanungsbüro Dr. Wilke

Tragwerks- und Fassadenplanung:

MSIng GmbH, Stuttgart

Metallbau, Fassadenbau:

Frener&Reifer GmbH, Brixen (I)

Weitere Partner:

Idpartners GmbH, Zürich

Vandaglas Eckelt GmbH, Steyr (AT)

 

Das Fachregelwerk Metallbauerhandwerk – Konstruktionstechnik enthält im Kap. 1.10 wichtige Informationen zum Thema «Konstruktiver Glasbau».