Juli 2022
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Fussgänger- und Fahrradbrücke Gorduno–Castione

Oberflächen / Stahlqualitäten

Die Leichtigkeit und Eleganz des Cortenstahls zeichnet dieses Bauwerk aus, das eine schöne Naturlandschaft in den Blickpunkt rückt und nicht nur ihre Nutzung als Naherholungsgebiet aufwertet, sondern sich auch harmonisch in die Landschaft einfügt.


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Zwei gespiegelte Kastenträger aus Cortenstahl bilden das freigespannte Haupttragwerk der Brücke.
Zwei gespiegelte Kastenträger aus Cortenstahl bilden das freigespannte Haupttragwerk der Brücke.

 

Oberflächen / Stahlqualitäten

Fussgänger- und Fahrradbrücke Gorduno–Castione

Die Leichtigkeit und Eleganz des Cortenstahls zeichnet dieses Bauwerk aus, das eine schöne Naturlandschaft in den Blickpunkt rückt und nicht nur ihre Nutzung als Naherholungsgebiet aufwertet, sondern sich auch harmonisch in die Landschaft einfügt.

Text: Ing. Pier Giorgio Rossi Officine Ghidoni SA, Riazzino / Bilder:  Officine Ghidoni SA

Im Zusammenhang mit dem «Plan für die integrierte Entwicklung von Verkehr und städtischen Siedlungen in der Gegend von Bellinzona (PAB)» spielt der Langsamverkehr eine entscheidende Rolle, um die Umweltbelastung durch motorisierten Verkehr im Gebiet zu reduzieren. Um eine Änderung der Gewohnheiten konkret zu unterstützten, ist es von grundlegender Bedeutung, Wege zur Verfügung zu stellen, die auf der einen Seite Sicherheit bieten, auf der anderen Seite aber auch relativ kurz und direkt und für Radfahrer, Fussgänger und vergleichbare Verkehrsteilnehmer bestimmt sind. Aus der neuen und grösseren Bedeutung, die der Bahnhof in Castione-Arbedo seit 2010 für den Regionalverkehr hat, ist die Notwendigkeit entstanden, eine bessere Verbindung für Radfahrer und Fussgänger zwischen den Ortsteilen Gorduno und Castione zu schaffen. Eine Verbindung, die in der Lage ist, den lokalen Verkehr mit umweltfreundlichen Transportmitteln zu fördern und die nicht nur allgemein für die Benutzer öffentlicher Verkehrsmittel bestimmt ist, sondern auch für die Besucher der Einkaufszentren, die in den vergangenen Jahren in Castione entstanden sind. Ziel ist es dabei auch, die Sicherheit und Mobilität der Kinder im Schulalter deutlich zu verbessern, die zwischen den beiden Ortsteilen pendeln. Die Brücke spannt sich auf der Seite von Gorduno über die Autobahn A2 und auf der Seite von Castione über die Flussauen. Sie verbindet nicht nur die beiden Ufer, sondern rückt auch eine schöne Naturlandschaft in den Blickpunkt, sodass davon auszugehen ist, dass sie auch für Freizeitaktivitäten im Allgemeinen nutzbar ist und insgesamt die Flusslandschaft aufwertet.

Das Projekt

Die Idee einer direkteren Verbindung zwischen Gorduno und Castione wurde vom damaligen Rathaus in Gorduno in Zusammenarbeit mit dem Rathaus von Arbedo-Castione noch vor der Eingemeindung vorgeschlagen. Nachdem Gorduno in die Stadt Bellinzona eingegliedert wurde, hat das Projekt Fahrt aufgenommen und sich sehr schnell konkretisiert. Das Gesamtprojekt sah zwei Zufahrtsrampen und eine Brücke mit einer Spannweite von ca. 270 m vor.
Das Bauwerk ist durch einen minimalistischen Eingriff charakterisiert, der mit gewollter Transparenz umgesetzt wurde, und fügt sich deshalb harmonisch in die Landschaft ein. Auf der Seite von Gorduno führt die Brücke über die Autobahn A2, spannt sich dann über die Flussufer mit ihrer dichten Vegetation und wird ein Teil hiervon, sodass man von der Brücke aus einen Panoramablick auf eine interessante Naturlandschaft hat.
Die Brücke wird von zwei gespiegelten Kastenträgern aus Cortenstahl mit seiner charakteristischen Patina gebildet, die sich in der Nähe des rechten Flussufers teilen und das Einfügen einer Treppe ermöglicht haben, die als Zugang zum Auenbereich dient. Die Wahl von Stahl als tragendes Element hat eine sehr schlanke Ausführung des Tragwerks erlaubt und damit die Auswirkungen auf die Umwelt reduziert. Auf der Seite von Gorduno sitzt die Brücke auf dem Seitenteil auf, das aus der Lärmschutzmauer der Autobahn gebildet wird, sowie auf einer Reihe von vier Pfeilern aus Stahlbeton, die vom Rand der Autobahn bis zum darunter befindlichen Flussufer führen. Der Abstand und die Linie der Pfeiler garantieren für eine hohe Transparenz des gesamten Bauwerks.

 

Brücke mit Vorverformungen geplant und gebaut

Der Längsverlauf der Brücke mit leichtem Gefälle musste einer vom Planer festgelegten Linie folgen (keiner Geraden). Die Linie in ihrem Endzustand ist deshalb nach dem Schweissen und dem Entfernen der provisorischen Brückenpfeiler alles andere als eine Gerade. Das liegt daran, dass die Längsform für jedes Teilstück der Brücke konkret mit Vorverformungen geplant und gebaut wurde, um die Anforderungen an die fertige Brücke zu erfüllen. Die Höhe der Kastenträger ist variabel, um die Verwendung des Materials zu optimieren und dem Bauwerk gleichzeitig eine beachtliche horizontale Leichtigkeit zu verleihen. Der Bereich über dem Fluss hat eine detaillierte Planung erfordert: Unter Berücksichtigung der verschiedenen Phasen musste die Geometrie der beiden V-förmigen Brückenpfeiler festgelegt und diese mussten so lange abgestützt werden, bis das Längselement mit den entsprechenden Anschlussteilen mit den Brückenpfeilern verschweisst war und starre Knoten gebildet hat. Die beiden Brückenpfeiler liegen unten auf massiven Bodenplatten auf, die von Pfahlgründungen mit Pfählen mit grossem Durchmesser gestützt werden. Ausserdem teilen sich die beiden Kastenträger des Sturzes in diesem Bereich, was die Planung und Umsetzung noch komplizierter gemacht hat. In die V-förmigen Brückenpfeiler am rechten Tessin-Ufer wurde eine Treppe eingesetzt, über die man Zugang zum Auenbereich hat. Diese Brücke ist mehr als nur die klassische Verbindung von zwei Ufern, da sie den Auenbereich gleichzeitig auch aufwertet. Eine bequeme Bank auf der Brücke in der Nähe der Treppe bietet ausserdem die Möglichkeit, eine kleine Pause über dem Fluss einzulegen und den Ausblick zu geniessen. Es handelt sich deshalb um ein Multifunktions- und Mehrzweckbauwerk.
Der Fuss- und Radweg, der von der Oberseite des Kastenträgers gebildet wird, ist mit einem 30–40 mm dicken Belag asphaltiert. Das sehr transparente Geländer besteht aus Stahlpfosten, die sich nach oben verjüngen und über integrierte LED-Leuchten verfügen, sowie aus zwei Längsrohren, an denen das Metallgitter befestigt ist, das die Geländerfüllung bildet. Zwei in die Konstruktion integrierte Seitenkanäle sammeln das Regenwasser in Längsrichtung.
Der für das Tragwerk verwendete Cortenstahl minimiert nicht nur die Querschnitte, sondern ist auch extrem wartungsarm. Durch die Korrosion, die sich über einen Zeitraum von fünf bis sechs Jahren stabilisiert, bildet sich eine gleichmässige Sperrschicht: die charakteristische Patina. Das Geländer besteht dagegen mit Ausnahme der Pfosten aus Edelstahl. 

 

«Zwei in die Konstruktion integrierte Seitenkanäle sammeln das Regenwasser in Längsrichtung.»  

Herstellung

Nachdem man die korrekte Geometrie festgelegt hatte, war der Herstellungsprozess an sich nicht besonders komplex, da die Brücke aus relativ einfachen Elementen besteht, die aber perfekt zusammengefügt werden mussten, um das genau vorgegebene Längsprofil zu bilden. Die Kastenträger bestehen aus einzelnen Blechen, die im Unterpulverschweissverfahren zu profilierten Rechteckrohren zusammengeschweisst wurden. Die grossen Masse der Anschlussteile haben dagegen einige Probleme beim Manövrieren im Werk und aus offensichtlichen Gründen auch beim Transport auf die Baustelle verursacht. Die Besonderheit dieser Konstruktion liegt im Kastenträger, da sich dieser über dem Fluss teilt und am anderen Ufer wieder vereint, um in der Mitte einen Durchgang für die Treppe und einen eindrucksvollen Panoramastreifen zu schaffen. Diese Projektentscheidung hat den Bau von zwei parallelen Geh- und Radwegen erforderlich gemacht. 

 Die Kastenträger bestehen aus einzelnen Blechen, die im Unterpulverschweissverfahren zu profilierten Rechteckrohren zusammengeschweisst sind.
Die Kastenträger bestehen aus einzelnen Blechen, die im Unterpulverschweissverfahren zu profilierten Rechteckrohren zusammengeschweisst sind.

 

Transport, Heben und Montage

Eine Minimierung der Anzahl der Teilstücke unter Berücksichtigung der Stützen und der Montagephasen bedeutete eine Maximierung der Länge, wobei diese aus offensichtlichen Gründen an die Transportfähigkeit angepasst werden musste. Eine grosse Einschränkung war vor allem der Zugang zum Flussufer auf der Seite von Gorduno hinter der Autobahn. Es war deshalb der Bau einer provisorischen seitlichen Rampe notwendig, die die Autobahn A2 mit dem Auen-Radweg von Golena verbindet, der an den Brückenpfeilern entlang auf die gesamte Länge der Baustelle (rechtes Flussufer) verlängert wurde. Mit dieser Massnahme war es möglich, Teilstücke mit einer maximalen Länge von 37 Metern zu transportieren. Die vorgesehene Reihenfolge der Montage hat die Installation von zwei provisorischen Brückenpfeilern auf der Seite von Golena neben den endgültigen V-förmigen Pfeilern erfordert, um das erste Teilstück bei der Installation auf den jeweiligen Flussufern zu stützen. Das Zusammenbauen der beiden V-förmigen Brückenpfeiler hat eine provisorische Stabilisierung von jedem einzelnen installierten Element erfordert, wobei das Segment zuerst an das Anschlussteil geschweisst wurde, das dann mechanisch mit der Bodenplatte am Ufer verbunden wurde. Oben auf die V-förmigen Brückenpfeiler wurde der Kastenträger der Brücke geschweisst, um stabile Dreiecke zu bilden, die mit dem angrenzenden Teilstück verbunden sind. Danach musste nur noch eine Art «Schlüsselstein» eingesetzt werden, in diesem Fall die beiden Kastenträger über dem Fluss. Diese Phase konnte erst am Ende der Installation und des Schweissens aller vorgelagerten Teilstücke ausgeführt werden, um so eine statische Durchgängigkeit auf beiden Seiten des Flusses zu garantieren. Zuletzt wurde das Teilstück über der Autobahn installiert, wofür aus offensichtlichen Sicherheitsgründen das Sperren des Autobahnabschnitts in der Nacht für ungefähr eine Stunde erforderlich war.

Teilstück 6 wird an seinen Zielort gehievt.
Teilstück 6 wird an seinen Zielort gehievt.
Montageablauf.
Montageablauf.


Um ausreichend Platz für das Aufstellen der Mobilkrane in den verschiedenen Phasen für das Heben der Teilstücke zu schaffen, war eine provisorische Verschmälerung des Flussbetts mit Erddämmen notwendig. Dieser Eingriff, mit dem die vom Fluss Tessin geführte Wassermenge reduziert wurde, konnte für den Winter geplant werden, da in dieser Jahreszeit die Hochwassergefahr geringer ist.
Die Installation der Tragwerke aus Metall auf der Baustelle hat ca. 15 Wochen in Anspruch genommen, zu denen die Bauarbeiten hinzugekommen sind, die teilweise parallel ausgeführt wurden, sowie die weiteren Arbeiten zur Installation der Beleuchtung und für den Anschluss und die Fertigstellung der beiden Zufahrtsrampen.

Gut zu erkennen ist die in die Abstützung integrierte Treppe.
Gut zu erkennen ist die in die Abstützung integrierte Treppe.

 

Résumé

Eine besondere Fussgänger- und Fahrradbrücke, die verschiedene Funktionen erfüllt und in einem Gelände mit einem sehr komplexen geografischen Profil entstanden ist. Die zur Erfüllung der Zwecke, für die die Brücke vorgesehen ist, umgesetzten Lösungen sind einfach, aber nicht banal.
Besonders gut gelungen ist aus unserer Sicht das Einfügen der Brücke in die Geländemorphologie und die Naturlandschaft, wobei dieser Aspekt noch verbessert wird, sobald die Vegetation neben der Brücke, die aus logistischen Gründen zu einem sehr geringen Teil beseitigt werden musste, nachgewachsen ist und wieder ihr ursprüngliches Aussehen hat. 

Bautafel 

Bauherrschaft:

Stadt Bellinzona

Ingenieur:

Masotti & Associati SA, Bellinzona

Architekt:

Orsi & Associati, Bellinzona

Bauleitung:

Reali e Guscetti Studio d’Ingegneria SA, Ambri

Stahlbau:

Consorzio Officine Ghidoni SA und Ferriere Cattaneo SA, Riazzino

Transport und Heben:

Sabesa SA, Riazzino

 

Das Fachregelwerk Metallbauerhandwerk – Konstruktionstechnik enthält im Kap. 1.4 wichtige Informationen zum Thema «Statik und Konstruktion».

 

Technische Daten

Gesamtlänge: 272 m
Breite: variabel von 3,20 bis 5,40 m
Gesamtgewicht : ca. 350 t
Anzahl der Sturzelemente : 9 Teilstücke