Juli 2015
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Formieren im Rohrleitungs- und Behälterbau

SCHWEISSEN

Als Wurzelschutz bezeichnet man laut DVS-Merkblatt 0937 das Umspülen der Schweissnahtwurzel und der Wärmeeinflusszone mit Schutzgasen bei gleichzeitiger Verdrängung der sauerstoffhaltigen Atmosphäre. Bei Rohrleitungen und Behältern heisst derselbe Vorgang Formieren.


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"Beim Formieren werden Behälter oder Rohre mit Schutzgas gefüllt. Dies gewährleistet den Korrosionsschutz, steigert die Schweissnahtqualität und senkt die Folgekosten. Nacharbeiten und Beizen, beides mit Transportkosten und Zeitverlust verbunden, werden minimiert oder entfallen ganz. Bisher wurde das Verfahren ausschliesslich bei der Verarbeitung hochlegierter Stähle eingesetzt. Doch auch beim Schweissen von Baustählen sowie beim Schweissen und Löten von Kupfer bietet das Formieren grossen Nutzen: Es gewährleistet Korrosionsbeständigkeit und schützt nachfolgende Anlagenteile. Bei korrekter Durchführung können Schweissnähte und Wurzeln erzeugt werden, die keiner Nacharbeit bedürfen.
Das Verfahren
Das Formiergas zum Schweissnahtbereich sollte kontrolliert, also mit gezieltem Übergang des Schutzgases vom Schlauch in das zu formierende Bauteil zugeführt werden. Im Fall einer turbulenten Strömung verwirbelt das Formiergas mit der Atmosphäre zu einem diffusen Gasgemisch. Dies verlängert den Formierprozess und kann sogar zu einem völligen Misserfolg führen. Eine optimale Schutzgaszufuhr erfordert eine laminare Strömung, die mit Hilfe eines Diffusors erzeugt wird.
Restsauerstoff und Spülzeit
Die Vermischung des Formiergases mit der Atmosphäre im Rohr oder Behälter lässt sich allerdings nicht vollständig vermeiden. Dies gilt besonders für ungleichmässig geformte Behälter. Es besteht also die Gefahr, dass dort Restsauerstoff verbleibt. Er kann ausreichen, um die Oberfläche zu oxidieren und Anlauffarben zu bilden. Deshalb ist es wichtig, den Anteil des verbliebenen Sauerstoffs auf das gewünschte Mass zu beschränken. Je nach Werkstoff sind in der Regel Höchstwerte zwischen 20 und
50 ppm unbedenklich. Bei fortlaufendem Formierprozess sinkt der Restsauerstoffgehalt im Behälter kontinuierlich, hängt also bei korrekter Vorgehensweise in den meisten Fällen von der Dauer der Spülzeit ab. Andernfalls muss die Vorgehensweise überprüft werden. Vor allem bei komplizierten Geometrien ist es empfehlenswert, den Restsauerstoffgehalt mit einem geeigneten Messgerät zu bestimmen. Bei Serienbauteilen mit geringen Herstellungskosten kann die optimale Spülzeit auch durch Variieren empirisch ermittelt werden. Die Spülzeit in Rohrleitungen lässt sich auf der Grundlage von Erfahrungswerten berechnen. Eine grafische Darstellung im DVS- Merkblatt 0937 bietet einen Anhaltspunkt für die Ermittlung einer ausreichenden Spülzeit je laufenden Meter Rohr.
Achtung: Sauerstoff kommt nicht nur in der Atmosphäre des Rohrs oder Behälters vor, er entweicht auch aus anhaftender Feuchtigkeit am kalten Bauteil. Das lässt sich durch leichtes Vorwärmen vermeiden.
Auswahl der Gase
Für das Formieren sind Gasgemische auf Argon- oder Stickstoffbasis geeignet. Wasserstoff wird zugemischt, um den Restsauerstoff zu binden. Für die Auswahl des passenden Gases gibt es drei wichtige Kriterien:
1. Der zu formierende Werkstoff - Empfindlichkeit gegenüber Wasserstoff oder Stickstoff
2. Die Formieraufgabe - oberer oder unterer Bauteilbereich
3. Die Bauteilform - Blech / Behälter / Rohr
Nicht alle Werkstoffe vertragen sich mit allen Gaskomponenten. So können Bestandteile der Formiergase manche Werkstoffe durch Bildung von Nitriden und Oxiden oder durch Wasserstoffrisse schädigen. Je nach Formieraufgabe kann es sinnvoll sein, zwischen steigendem und fallendem Formieren und dem dazugehörigen Gas - schwerer oder leichter als Luft - zu wählen. Auch die Bauteilform kann einen Einfluss auf die Auswahl des Gases haben. Beim Formieren von Behältern oder Rohrleitungssystemen mit komplizierten Geometrien erreicht ein Gasgemisch mit der gleichen Dichte wie Luft die besten Ergebnisse.
Zündbereich
Wenn zu Beginn der Schweissarbeiten noch ein zündfähiges Formiergas-Luft-Gemisch vorhanden ist, besteht Verpuffungsgefahr. Je nach Wasserstoffgehalt müssen Formiergase deshalb beim Austritt aus dem Bauteil abgefackelt werden. Die Zündgrenze liegt bei vier Prozent Wasserstoffanteil (H2). Ab zehn Prozent H2 ist das Abfackeln vorgeschrieben (DVS-Merkblatt 0937). Brennt das Gemisch nicht von selbst, wird dazu eine Pilotflamme benötigt. Der Inhalt des Behälters muss immer zu mindestens
75 Prozent aus Formiergas bestehen, bevor mit den Schweissarbeiten begonnen wird. Für alle Einsatzbereiche gilt: Bei korrekter Durchführung können Schweissnähte und Wurzeln erzeugt werden, die keiner kostentreibenden Nacharbeit mehr bedürfen.
Formieren von Rohren aus CrNi-Stählen
Formieren gewährleistet die Korrosionsresistenz beständiger Werkstoffe. Ohne Formieren oxidieren die Schweissnaht und der erhitzte Randbereich je nach Empfindlichkeit der Legierung. Auch während des Heftens ist das Formieren erforderlich, da die Anlauffarben beim Überschweissen von Heftstellen nicht verschwinden und die Oxide mit in die Schweissnaht eingebunden werden. Die schweisstechnische Verarbeitung von Werkstoffen, die mit Sauerstoff oder Stickstoff reagieren, wie beispielsweise Titan, Zirkon, Molybdän oder Magnesium, ist ohne Formieren gar nicht möglich."