Dezember 2025
Dezember 2025
Abo

Dem Fachkräftemangel bereichernd entgegengewirkt

Personal / Führung

Fachkräfte fehlen an allen Ecken und Enden – auch in der Metallbaubranche. Eine Zentralschweizer Metallbauunternehmung hat einen eher speziellen Weg eingeschlagen – sie beschäftigt Personal mit Flüchtlingsstatus. Mehr Informationen über die Hintergründe und die gemachten Erfahrungen erhalten Sie im Beitrag.


Login

Danke für Ihr Interesse an unseren Inhalten. Abonnenten der Fachzeitschrift metall finden das Login für den Vollzugriff im Impressum der aktuellen Printausgabe. Das Passwort ändert monatlich.


Jetzt registrieren und lesen. Registrieren Sie sich um einzelne Artikel zu lesen und einfach per Kreditkarte zu bezahlen. (CHF 5,- pro Artikel)
Als registrierter Benutzer haben Sie jederzeit Zugriff auf Ihre gekauften Artikel.

Sollten Sie als interessierte Fachkraft im Metall-, Stahl- und Fassadenbau die Fachzeitschrift metall tatsächlich noch nicht abonniert haben, verlieren Sie keine Zeit und bestellen Sie Ihr persönliches Abonnement gleich hier.

Das Unternehmerpaar Rachel und Peter Wirz.
Das Unternehmerpaar Rachel und Peter Wirz.

 

Personal / Führung

Dem Fachkräftemangel bereichernd entgegengewirkt

Fachkräfte fehlen an allen Ecken und Enden – auch in der Metallbaubranche. Eine Zentralschweizer Metallbauunternehmung hat einen eher speziellen Weg eingeschlagen – sie beschäftigt Personal mit Flüchtlingsstatus. Mehr Informationen über die Hintergründe und die gemachten Erfahrungen erhalten Sie im Beitrag.

Text: Redaktion / Bilder: Odermattmatt Metallbau

Viele Unternehmer*innen der Metallbaubranche kennen das Phänomen «Fachkräftemangel». Sei es, dass potenzielle Bewerber nicht die erforderlichen Kompetenzen mitbringen oder dass sich schlichtweg niemand, oder nur zu unrealistischen Konditionen, um die entsprechende Stelle bewirbt.
In jüngster Zeit haben Unternehmungen verschiedene Konzepte entwickelt, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Im Zentrum steht sicher die aktive Förderung und Weiterentwicklung des eigenen Personals. Sie beeinflusst die qualitative Leistung der Unternehmung positiv, steigert aber aufgrund der stagnierenden Personalzahlen nicht unbedingt den quantitativen Output.

Frantisek (Franz)
Frantisek (Franz)

 

Entspannt dank neuen Wegen

Diesbezüglich blickt Peter Wirz, Inhaber und Geschäftsführer der Odermatt Metallbau AG mit Sitz in Kriens, relativ entspannt in die Zukunft. Die Auftragsbücher des KMU mit seinen zehn Mitarbeitenden sind gut gefüllt und tatkräftiges, kompetentes Personal für die Umsetzung steht ihm zur Seite. Der heterogen ausgerichtete Betrieb plant, produziert und montiert allgemeine Metallbauarbeiten wie Türen, Fenster, Verglasungen, Stahlkonstruktionen und Balkone und vieles mehr in verschiedensten Materialien wie Stahl, Edelstahl, Aluminium, und auch mit Buntmetallen wird gearbeitet. Zudem führt die Firma eine Vertretung von «Fenster und Türen in Aluminium – System Schweizer».
Peter Wirz hat die Situation des sich anbahnenden Fachkräftemangels vor Jahren schon erahnt und sich entsprechend darauf eingestellt. «Es wäre vermessen, zu sagen, dass ich alles hätte kommen sehen und schon vor langer Zeit die Weichen entsprechend gestellt hätte», sagt der Unternehmer und fügt an: «Jedoch hatte ich diesbezüglich schon vor Jahren einen Grundgedanken zu diesem Thema – er lautete ‹Offenheit für Neues›. Es wurde mir bewusst, dass die bewährten Pfade, die lange gegangen wurden, irgendwann ausgetreten sind und neue Wege gefunden werden müssen.»
So erweiterte der Unternehmer seine Parameter im Denken und im Tun. Es dauerte nicht lange und die genossenschaftlich organisierte FuturX klopfte an und erkundigte sich für eine mögliche Anstellung eines jungen, 2015 geflüchteten Afghanen. Peter Wirz entschied sich, den ihm nicht bekannten Mann mit Flüchtlingsstatus F bei sich in seinem Unternehmen anzustellen.  

 

«Es wurde mir bewusst, dass die bewährten Pfade, die lange gegangen wurden, irgendwann ausgetreten sind und neue Wege gefunden werden müssen.» Peter Wirz

 

Jan 
Jan 

 

 

Ausbildung im Vordergrund

Jan – so der Name des neuen Mitarbeiters, ist heute 30 Jahre alt und startete im August 2019 mit seinem einjährigen Praktikum im Metallbauberuf. Anschliessend absolvierte er eine Attest-Ausbildung zum Metallbaupraktiker EBA und schloss diese Ende Juli 2022 erfolgreich ab. Jan arbeitet seither ununterbrochen im Unternehmen und hat sich ständig weiterentwickelt. Heute gilt er als wertvoller Mitarbeiter in der Unternehmung. Jan wohnt in einer Wohngemeinschaft mit zwei weiteren Landesgenossen zusammen, was sich sicher positiv auf sein soziales Wohlbefinden auswirkt, jedoch seine deutschen Sprachkenntnisse nicht gerade fördert. Sein Deutsch ist für die alltägliche Kommunikation bei der Arbeit genügend, aber noch erweiterungsfähig. Aktuell lernt Jan Autofahren. Schon bald möchte er die Prüfung ablegen, um einen weiteren Schritt in seiner Unabhängigkeit zu machen. Hierbei unterstützt ihn die Unternehmung – insbesondere Rachel Wirz. Sie ist ebenfalls in der Unternehmung tätig und führt die administrativen Bereiche. Hierfür stellt sie ihr Fahrzeug zur Verfügung. Mit Rachel Wirz als Instruktorin auf dem Beifahrersitz bekommt Jan die Möglichkeit, einige Lernstunden zu absolvieren, die sein Budget nicht weiter strapazieren. 

Bara
Bara

 

Nach Jan folgt Ali
Anfang 2024 entschied sich Peter Wirz, einen weiteren geflüchteten Afghanen einzustellen. Ali, heute 25 Jahre alt, flüchtete 2016 aus Afghanistan in die Schweiz und arbeitet seit Februar 2024 als «Angelernter im Fachbereich Metallbau» bei der Odermatt Metallbau AG. Ali gilt ebenfalls als zuverlässiger, breit einsetzbarer Mitarbeiter und spricht relativ gut Deutsch. Auch er möchte in naher Zukunft die Fahrprüfung ablegen.

Bara – eine hervorragende Schweisserin
Im Februar 2024 hat Peter Wirz Bara aus der Republik Tschechien als weitere ausländische Fachkraft in seinem Unternehmen angestellt. Sie führt allgemeine Metallbauarbeiten aus und gilt als hervorragende Schweisserin in mehreren Schweisstechniken. Sie reizt die Möglichkeiten der ihr zur Verfügung stehenden Schweissgeräte voll aus und zaubert perfekte Schweissnäht hin. Bara hat fünf Jahre in einer Metallbaufirma in Deutschland gearbeitet als Quereinsteigerin mit Schweissprüfungen.

Franz – der Mann aus Slowenien
Dazu kommt ein weiterer Mitarbeiter mit ausländischen Wurzeln. Franz, 44 Jahre alt, arbeitet seit Anfang 2024 im Unternehmen. Er gilt ebenfalls als «Angelernter im Fachbereich Metallbau» mit Kunstschmied-Ausbildung und führt verschiedenste Metallbauarbeiten weitgehend selbständig aus.

Ali
Ali

 

Nicht immer nur «alles gut»

Dass nicht immer alles so einfach und reibungslos abläuft, daraus macht Peter Wirz kein Geheimnis. Es braucht viel Zeit für Abklärungen, Anmeldungen, Gesuche, Hilfe bei der Wohnungssuche und auch Geduld wegen der Sprachbarriere. Die verschiedenen Mentalitäten sind manchmal eine nicht zu unterschätzende Herausforderung, jedoch auch eine wichtige Bereicherung für das Unternehmen. 

Interview

Heisse Fragen zum Thema an den Unternehmer Peter Wirz

Was hat Sie dazu bewogen, Personen mit Flüchtlingsstatus einzustellen?
Wie bereits erwähnt, kam ich vor Jahren zur Erkenntnis, dass ich, um meine Unternehmung personell ausgewogen zu besetzen – neue Wege gehen muss. Der Gedanke, dass die Anstellung von ausländischen Arbeits- und Fachkräften ein für mich möglicher Weg sein könnte, entstand durch freies, offenes Denken, um neue Wege auszuloten.
Die ältere Generation unter uns erinnert sich an die verschiedenen Immigrationswellen, die wir selber in der Schweiz erlebt hatten. Immigranten beispielsweise in den 60er- und  70er-Jahren aus Italien haben sich bestens eingelebt und ihre Nachkommen stehen den Schweizern in nichts nach. Ähnlich verhält sich auch die Entwicklung der Immigration aus den Balkanstaaten. So sehe ich auch die aktuelle Entwicklung, die wir als Bürger und Unternehmer wohl kaum aufhalten können.

Was verstehen Sie unter «frei und offen denken»?
Die Situationen ändern sich im Laufe der Zeit stetig. Was sich vor 10 oder 15 Jahren bestens bewährte, muss heute vielleicht in Frage gestellt werden. Dies gilt wohl in vielen Bereichen, ob privat, geschäftlich oder politisch. Wir sind gefordert, offen für Neues zu sein.

Ein Teil Ihrer Belegschaft ist ausländischer Herkunft – Flüchtlinge. Die Leute können keine Meistertitel vorweisen. Wie gewährleisten Sie Qualität und Kontinuität in Ihrer Unternehmung?
Was bis jetzt aufgrund des spezifischen Themas unangesprochen blieb, ist: Wir haben in unserem Team natürlich auch bestens ausgewiesene Fach- und Führungskräfte. Zusammen mit unserem Werkmeister versuche ich, die Mitarbeitenden möglichst ihren Fähigkeiten entsprechend einzusetzen. Da ich die Aufträge von der Offerte über die Planung, Herstellung und Montage sehr eng begleite, funktioniert dieses System in unserer Betriebsgrösse bestens.

Wie sieht dies in der Praxis aus?
Grundsätzlich sind unsere Mitarbeitenden alle sehr vielseitig einsetzbar. Das schafft auch Flexibilität. Wichtig scheint mir, dass der betriebsinternen Personalentwicklung hohe Beachtung geschenkt und diese auch gelebt wird. Wenn beispielsweise ein Mitarbeitender einmal einen Fehler macht, soll dieser – auch im Interesse des Mitarbeitenden – analysiert und die korrekte Ausführung aufgezeigt werden. Man muss die Chance geben, es beim zweiten Mal richtig zu machen.

Wie entlöhnen Sie die Mitarbeitenden mit Flüchtlingsstatus B?
Grundsätzlich bezahlen wir unsere Mitarbeitenden nach Leistung. Dies gilt auch für die Flüchtlinge mit Status B. Sie stehen in demselben Anstellungsverhältnis wie Schweizer Mitarbeitende. Dies betrifft auch Versicherungen und Sozialeinlagen. Sie müssen ja auch ihre Wohnungsmiete und alle anderen Lebensunterhaltskosten selber berappen.

Birgt dieser Weg, den Sie personalpolitisch gehen, auch Risiken für Sie und Ihre Unternehmung?
Ja, ganz sicher. Als Unternehmer tätige ich personalpolitische Investitionen, indem ich Mitarbeitende aus Krisengebieten anstelle und erst mal in ihre Ausbildung investiere. Dies sind finanzielle Investitionen in Schulmaterial, Kurse, Vorausfinanzierungen und auch mit internen Stunden von Vorgesetzten. Dazu kommen viele weitere administrative Tätigkeiten wie beispielsweise die Hilfe bei der Wohnungssuche, die Begleitung bei Behördengängen usw.
Zu diesem Zeitpunkt habe ich keine Gewähr, dass das entsprechende Arbeitsverhältnis von längerer Dauer sein wird. Sollte es sein, dass der Mitarbeitende seinen Flüchtlingsstatus verliert oder es aus anderen Gründen zur Trennung kommt, dann bleibe ich auf den Auslagen sitzen.

Gab es aufgrund kultureller Unterschiede schon Probleme?
Ernsthafte Probleme hat es bis anhin nie gegeben. Aber auch wir mussten lernen, dass bei einem Firmenessen beispielsweise der Menüplan Alternativen zu typisch schweizerischer Kost bieten muss. Oder dass Männer aus gewissen Kulturen vielleicht am Anfang mehr Mühe haben, sich von einer Frau – meine Frau ist auch Unternehmerin – Anweisungen geben zu lassen. Jedoch haben wir bis anhin den Weg immer gefunden.

Ihr persönliches Fazit lautet?
Für unsere Unternehmung ist es ein Gewinn, mit verschiedenen Staatsbürgern zusammenarbeiten zu können. An dieser Stelle möchte ich auch andere Unternehmer*innen motivieren, solche Schritte zu gehen. Unternehmen sollten allfällige Vorurteile abbauen und das globale Denken fördern. Ein gegenseitiges Vertrauen von beiden Seiten ist erforderlich. Zudem: «Arbeit leistet einen wesentlichen Beitrag zur Integration.»   ■