April 2024
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Bild: Redaktion. Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten für eine Übergabe: eine Übertragung an familienexterne Personen oder die Weitergabe des Unternehmens an die nächste Generation innerhalb der Familie.
Bild: Redaktion. Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten für eine Übergabe: eine Übertragung an familienexterne Personen oder die Weitergabe des Unternehmens an die nächste Generation innerhalb der Familie.

 

Führung

Nachfolge in einem Familienunternehmen

Laut der Studie «KMU Nachfolge Schweiz 2023» des Wirtschaftsinformationsdienstes Dun & Bradstreet haben in der Schweiz zurzeit 15,1 Prozent der Unternehmen ein sich anbahnendes Nachfolgeproblem. Insgesamt stehen rund 93 000 KMU vor dieser Herausforderung. Besonders stark betroffen sind auch die Kleinst- und Kleinunternehmen der metallverarbeitenden Branchen.

Text: Karl Zimmermann / Interview: Redaktion

Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten für eine Übergabe: eine Übertragung an familienexterne Personen oder die Weitergabe des Unternehmens an die nächste Generation innerhalb der Familie. Letztere machen immer noch über 50 % der Unternehmensnachfolgen aus. Diese werden in diesem Beitrag näher beleuchtet.
Bei jeder Nachfolgeregelung ist es wichtig, dass die Familienmitglieder sich frühzeitig untereinander und auch mit allen Betroffenen auseinandersetzen. So können die verschiedenen Meinungen ausgetauscht und Möglichkeiten ausgelotet werden. Das Thema Nachfolge ist immer mit vielen Emotionen und unterschiedlichsten Auffassungen der Betroffenen behaftet und kann bereits in einem frühen Stadium zu Streit oder Blockaden führen. Gerade deshalb muss die Nachfolgeregelung in der Regel in mehreren Schritten stattfinden. Der Beizug von externen Berater*innen kann helfen, diesen Prozess so zu meistern, dass alle Bedürfnisse wie auch Bedenken für die Zukunft offengelegt und berücksichtigt werden. Wenn die Gespräche von einer neutralen Person moderiert werden, kann zudem sichergestellt werden, dass alle beteiligten und vermeintlich nichtbeteiligten Parteien involviert werden und bei den Sitzungen jeweils die prioritären Themen behandelt werden.
Aus den gewonnenen Einsichten und geteilten Ansichten gilt es jeweils, weitere Schritte abzuleiten, und weiterzudiskutieren – bis man eine für möglichst alle Beteiligten tragbare Lösung findet. Dies benötigt Zeit und Raum. Erst dann sollte die detaillierte, strukturierte und zahlenorientierte Umsetzung in Angriff genommen werden.

Ein Beispiel aus der Praxis

Drei von vier Brüdern, welche auch die einzigen Aktionäre der Firma sind, stehen kurz vor der Pensionierung. Zwei Brüder leiten je zwei gleichwertige Abteilungen. Alle Geschwister haben selber Familien und Kinder im Alter zwischen 17 und 30 Jahren. Ihnen würde sich eine Übernahme der Firma anbieten. Die geschäftsführenden Brüder wussten voneinander nicht, welche Vorstellungen und Wünsche sie zur Zukunft der Firma haben. Es wurde deshalb eine «Zukunftswerkstatt» mit sämtlichen Mitgliedern der vier Familien einberufen. Man traf sich auf neutralem Boden zum Gespräch. 13 von 16 Mitgliedern der Unternehmerfamilien fanden sich ein. Zu Beginn musste sich jede Teilnehmerin und jeder Teilnehmer im Plenum darüber äussern, wie sie sich selbst im Jahr 2025 sehen.
Die Vertreter*innen der jüngeren Generation wurden zudem gebeten, Stellung zu beziehen, ob sie sich vorstellen könnten, in der näheren oder ferneren Zukunft im Unternehmen eine Rolle einzunehmen oder ob ihre Zukunftsvorstellungen in eine ganz andere Richtung gehen. Jedes Familienmitglied erfuhr so direkt, was die anderen bezüglich der Zukunft des Unternehmens dachten.
Das Resultat dieser Umfrage: Die beiden Leiter der Firma sowie auch ihre Brüder möchten sich in den nächsten Jahren ganz oder teilweise aus dem Unternehmen zurückziehen. Von ihren Kindern haben die meisten andere Zukunftspläne und möchten das Unternehmen nicht übernehmen. Immerhin zwei der Jüngeren konnten sich vorstellen, den Betrieb eventuell einmal fortzuführen. Sie wiesen allerdings zu wenig Berufserfahrung auf, um diese Verantwortung zum gegebenen Zeitpunkt zu übernehmen. Unter den Angestellten hatte es Mitarbeitende, welche sich sehr gut für eine Übernahme eignen würden – mit oder ohne Jungmannschaft der Familien.
Dieser aktuelle Fall zeigt sehr gut, welche Komplexität die Nachfolge eines Familienunternehmens mit sich bringt. Es werden weitere Meetings mit den Beteiligten folgen, wobei anschliessend noch weitere Fragen gestellt und geklärt werden müssen wie zum Beispiel:
- Wer übernimmt die Leitung der Firma, bis sich die potenziell interessierten Familienmitglieder entschieden haben?
- Bis zu welchem Zeitpunkt müssen sich diese entschieden haben?
- Wie kann die Unternehmung sicherstellen, dass sich die bestehenden Mitarbeitenden bis zu diesem Zeitpunkt nicht verunsichern lassen?
- Braucht es organisatorische Anpassungen? Wenn ja, welche?
- Wie, was und wann wird intern und extern kommuniziert?
Wichtig ist auch die Zukunftssicherung der ausscheidenden Unternehmer, welche sich folgende Fragen stellen müssen:
- Wer übernimmt den Lead im Nachfolgeprozess?
- Wurde für den dritten Lebensabschnitt finanziell richtig vorgesorgt? Wenn nein, was ist zu tun?
- Bestehen Regelungen/Verträge für die Aktienbewertung sowie Aktionärsbindungs-, Ehe-, Erbvertrag usw.?
- Wie stellen sich die Übergeber die Zusammenarbeit mit den Übernehmenden vor?
Das Beispiel zeigt deutlich, dass die Unternehmensnachfolge nicht nur viele zu klärende Fragen sowie Beteiligte betrifft, sondern auch mit grossen Emotionen verbunden ist. Dieses komplexe Thema muss frühzeitig aufgegriffen und angegangen werden. Kommen die Betroffenen nicht weiter, kann ein Coach die Nachfolgeregelung professionell begleiten.

 

Der Autor Karl Zimmermann startete seine berufliche Karriere 1974 mit einer Lehre als Metallbauschlosser. Nach zahlreichen Weiterbildungen war er ab 1983 Inhaber der Karl Zimmermann Metallbau AG in Bern, die er 2012 verkaufte. 2006 gründete er die KMU-Nachfolgezentrum AG und ist dort seither als Partner und Generationen-Coach aktiv. Die KMU Nachfolgezentrum AG ist unabhängig und Inhaber-geführt. Sie begleitete bereits über 500 Nachfolgeprojekte erfolgreich.kazi@kmu-nachfolgezentrum.ch www.kmu-nachfolgezentrum.ch
Der Autor Karl Zimmermann startete seine berufliche Karriere 1974 mit einer Lehre als Metallbauschlosser. Nach zahlreichen Weiterbildungen war er ab 1983 Inhaber der Karl Zimmermann Metallbau AG in Bern, die er 2012 verkaufte. 2006 gründete er die KMU-Nachfolgezentrum AG und ist dort seither als Partner und Generationen-Coach aktiv. Die KMU Nachfolgezentrum AG ist unabhängig und Inhaber-geführt. Sie begleitete bereits über 500 Nachfolgeprojekte erfolgreich.
kazi@kmu-nachfolgezentrum.ch
www.kmu-nachfolgezentrum.ch

 

Interview mit dem Experten

Fünf heisse Fragen an Karl Zimmermann

Weshalb haben rund 800 Firmen in unseren Branchen ein sich anbahnendes Nachfolgeproblem?
Dies liegt daran, dass ihre Inhaber und Verwaltungsräte bereits über 60 Jahre alt sind und sich noch unzureichend um die Nachfolge gekümmert haben.

Welches sind die grössten Hürden bei der Nachfolge in Familienunternehmen?
Das gewohnte Zusammenspiel zwischen Familie und Unternehmen muss neu definiert werden.
Über die Jahre stimmen sich die Unternehmerfamilien und die Unternehmen aufeinander ab. Je besser Familie und Unternehmen ein eingespieltes Team sind, desto positiver beeinflusst dies die Resultate des Unternehmens. Bei der Nachfolgeregelung werden diese Strukturen aufgebrochen und es erfolgt eine neue Rollenverteilung zwischen der Familie und dem Unternehmen.
Das grösste Problem der abtretenden Partrons ist oftmals, wie die eigene Zukunft gestaltet werden soll. Denn nach der Abgabe des Unternehmens tritt man in ein grosses, freies Zeitgefäss. Unternehmer*innen, die ihr ganzes Herzblut in ihre Firma stecken, haben häufig bis zur Übergabe nur wenig Zeit für das Privatleben, viele freund- und kameradschaftlichen Beziehungen gründen auf geschäftlichen Kontakten.

 

«Viele Probleme in der Nachfolge entstehen, weil man in der Hektik des Alltags die Worte zueinander nicht findet und aneinander vorbeispricht.»  

 

Wie gelingt es nun, diesen Wandel zu vollziehen?
Es ist immer wieder eindrücklich, wie ein geführtes Gespräch zwischen den beiden Generationen der Schlüssel zum Erfolg wird. Viele Probleme in der Nachfolge entstehen, weil man in der Hektik des Alltags die Worte zueinander nicht findet und aneinander vorbeispricht. Nur wer sein Gestern und sein Heute akzeptiert, kann sein Morgen frei gestalten.

Womit beginnt eine Beratung und welches Ziel verfolgt diese?
Die Beratung in einem Familienunternehmen beginnt je nach Ausgangslage mit Einzelgesprächen oder einer Zukunftswerkstatt mit allen wichtigen Personen für den Übergeber, unterteilt in drei Phasen.
Die erste Phase ist eine Standortbestimmung, die über die kritische Verarbeitung der Vergangenheit in die zweite Phase, der Darstellung der Zukunft, führt. Hier gilt es, vorurteilslos die Visionen aller Beteiligten aufzuzeigen. Die Abwägung erfolgt in der dritten Phase, deren Ziel es ist, aufgrund der realistischen Variante die Nachfolge anzugehen. Als Coach bestimme ich nicht den Inhalt, aber die Abfolge der Gespräche, fasse Ergebnisse und Ziele zusammen und bespreche weitere Möglichkeiten aus meinem Erfahrungsschatz.

Was möchten Sie noch erwähnen?
Seit ich mich intensiv mit dem Thema Nachfolge auseinandersetze, stelle ich mit Freude fest, dass die nächste Generation bereit ist, unsere Unternehmen weiterzuführen. Auch die fehlende Nachfolgerin findet man. Es braucht dazu Fleiss, Willen und das richtige Vorgehen.      ■