April 2024
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Sechs Praxistipps zum Auswahlprozess

Anlagen- und Maschineninvestitionen

In der Anlagenkonzeption entscheidet sich, ob ein Unternehmen das technische Potenzial auch wirtschaftlich optimal ausnutzt. In einigen Fällen verzögert der Auswahlprozess gar die Anlagenbeschaffung, sodass das Unternehmenswachstum gebremst wird. Mit einem methodischen Vorgehen können Sie sicherstellen, dass der Auswahlprozess nachvollziehbar ist und das Ergebnis zu Ihrem Unternehmen passt. Der Autor stellt entsprechende Fragen in den Raum und gibt Tipps aus seinem Beratungsalltag.   «Erstveröffentlichung unter www.rothbaum-consulting.de/expertease/


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Bild: RedaktionDie Frage «Warum benötige ich eine neue Maschine?» sollten Sie sich am Anfang stellen. 
Bild: Redaktion
Die Frage «Warum benötige ich eine neue Maschine?» sollten Sie sich am Anfang stellen. 

Anlagen- und Maschineninvestitionen

Sechs Praxistipps zum Auswahlprozess

In der Anlagenkonzeption entscheidet sich, ob ein Unternehmen das technische Potenzial auch wirtschaftlich optimal ausnutzt. In einigen Fällen verzögert der Auswahlprozess gar die Anlagenbeschaffung, sodass das Unternehmenswachstum gebremst wird. Mit einem methodischen Vorgehen können Sie sicherstellen, dass der Auswahlprozess nachvollziehbar ist und das Ergebnis zu Ihrem Unternehmen passt. Der Autor stellt entsprechende Fragen in den Raum und gibt Tipps aus seinem Beratungsalltag.   «Erstveröffentlichung unter www.rothbaum-consulting.de/expertease/

« La version française paraîtra dans l’édition de février 2022. »

Text: Philipp Kappus / Bild: Redaktion 
Bild: Rothbaum Consulting Philipp Kappus, Wirtschaftsingenieur, Leitung Office in Frankfurt der Rothbaum Consulting Engineers.
Bild: Rothbaum Consulting
Philipp Kappus, Wirtschaftsingenieur, Leitung Office in Frankfurt der Rothbaum Consulting Engineers.

1) Trennen Sie Ersatz- von Erweiterungsinvestitionen

Im ersten Schritt sollten Sie für sich definieren, warum Sie eine neue Maschine oder Anlage benötigen. Meiner Erfahrung nach passiert das in den meisten Fällen sehr spät oder gar nicht, wodurch die Begründung zur Investition und die Entscheidung für ein Anlagenkonzept schwerfallen.
Fällt Ihre bestehende Anlage oft aus und kann nicht mehr prozesssicher produzieren? Haben Sie Qualitätsprobleme oder benötigt die Anlage mehr Personal als vergleichbare Lösungen? Dann könnte eine Ersatzinvestition anstehen: Die Anlage wird 1:1 ersetzt und auf den aktuellen Stand der Technik gebracht.
Reichen die Kapazitäten nicht mehr, weil Ihr Unternehmen gewachsen ist oder sich der Produktmix geändert hat? In diesen Fällen wird eine Erweiterungsinvestition notwendig. Dies kann durch Umbau der aktuellen Anlage oder durch die Anschaffung einer zusätzlichen oder grösseren Anlage geschehen.
Wollen Sie mit der neuen Anlage beide Fälle abdecken? So trennen Sie die Anlagenteile in die verschiedenen Kategorien und überlegen sich, wie eine reine Ersatz- oder Erweiterungsinvestition aussehen würde. Es ist hierfür nicht notwendig zwei weitere Angebote einzuholen und Anlagen neu konzipieren zu lassen, eine einfache Abschätzung und Aufteilung der Positionen reicht normalerweise aus. 

2) Ist eine Neuanschaffung wirklich notwendig?

Um eine Neuanschaffung gut begründen zu können, sollten Sie zunächst eine Make-or-buy-Analyse durchführen. Haben Sie einen zuverlässigen Partner, der die Produkte in gleicher Qualität günstiger anbieten kann, als es Ihre Herstellkosten mit der Neuinvestition wären? Diese Betrachtung sollte nicht nur aus rein wirtschaftlicher, sondern auch aus  strategischer Sicht erfolgen. Folgende Gründe könnten trotz wirtschaftlicher Argumente gegen ein Outsourcing sprechen:
• Know-how-Verlust Ihrer Kernkompetenz
• Qualität kann nicht sichergestellt werden
• Mangelnde Zuverlässigkeit des Lieferanten
• Erhöhung der Lieferzeit

Eine weitere Option könnten kleinere Optimierungen der Anlage oder im Prozess sein: Bei einer Erweiterungsinvestition stellen Sie sich die Frage: «Warum kann die Nachfrage nicht mehr bedient werden?» Gründe könnten zum Beispiel sein:
• Die Anlage selbst schafft die notwendige Produktionsleistung, die Beschickung ist das Problem. Lösung: Sie könnten zusätzliches Personal bereitstellen oder den Prozess des Beschickens verbessern/automatisieren.
• Die Leistung des Motors ist nicht ausreichend. Lösung: Ein Austausch eines Antriebs könnte eine Verbesserung mit sich bringen.

Bei einer Ersatzinvestition stellen Sie sich die Fragen «Warum fällt die Maschine aus?» oder «Warum ist die Qualität nicht wie gewünscht?».
• Ein Stillstand der Maschine könnte durch vorbeugende Instandhaltung minimiert werden.
• Die Qualität könnte zum Beispiel durch den Austausch von Verschleissteilen verbessert werden.

Kommen Sie zu dem Schluss, dass ein Zukauf sinnvoll ist oder eine Optimierung der Anlage zu einer signifikanten Verbesserung führt: Sehr gut, Sie haben Investitionen eingespart und können nun aufhören zu lesen. Falls nicht: Sie sind der Begründung für die Anschaffung einer neuen Anlage ein gutes Stück nähergekommen!

3) Binden Sie Ihre Produktionsmitarbeiter ein

Fehlen die erforderlichen Informationen oder sind sie unzureichend, ist die Gefahr einer falschen Entscheidung gross. Nutzen Sie also alle Möglichkeiten, um Informationen zu bekommen. Ihre Anlagenbediener und Instandhalter kennen sich am besten mit den Vor- und Nachteilen der aktuellen Anlage aus. Haben Sie bereits ein Vorschlagswesen im Unternehmen im Einsatz oder haben Sie bereits Verbesserungsvorschläge erfragt? Falls ja, haben Sie diese umgesetzt oder dem Vorschlagenden erklärt, warum eine Umsetzung nicht sinnvoll ist? Kommunikation ist essenziell, um langfristig gute Vorschläge zu erhalten und die Mitarbeitermotivation zu erhöhen.
Spätestens aber, wenn Sie eine Ersatz- oder Erweiterungsinvestition planen, sollten Sie die Meinung der Mitarbeiter einholen. Lassen Sie sich kritische Anlagenbestandteile vor Ort zeigen und legen Sie in den Vorgesprächen mit den Herstellern und im Lastenheft darauf einen besonderen Fokus.

 

«Unterschätzen Sie nicht das Wissen Ihrer Produktionsmitarbeiter und Instandhalter!»  

4) Informieren Sie sich über den aktuellen Stand der Technik und schauen Sie über den Tellerrand

Haben Sie schon eine Anlagenkonfiguration eines Herstellers im Fokus? Gehen Sie einen Schritt zurück und prüfen Sie mehrere Alternativen. Nur so können Sie die bestmögliche Entscheidung treffen. Hierzu ist es notwendig, nicht nur mit den Herstellern Ihres Maschinen- und Anlagenparks zu sprechen, sondern den Markt zu sondieren. Gibt es neue Player auf dem Markt? Hat ein Anlagenhersteller sein Portfolio erweitert?
Ein guter erster Schritt sind der Besuch von einschlägigen Fachmessen und Gespräche mit Experten. Unabhängig davon können Sie auf Plattformen oder Ausstellerlisten von Fachmessen recherchieren und die Hersteller direkt kontaktieren. Laden Sie diese ein und lassen Sie sich die neuste Anlagengeneration mit den optionalen Erweiterungen vorführen. Optimalerweise planen Sie Referenzbesuche, um einen Eindruck in der Praxis zu erhalten.
Eine Investition in eine neue Anlage ist gleichzeitig ein guter Zeitpunkt, um über alternative Prozesse, Fertigungstechnologien, eine höhere Fertigungstiefe, Digitalisierungspotenziale oder einen höheren Automatisierungsgrad nachzudenken. Blicken Sie über den Tellerrand, zu Beginn des Prozesses sollten alle Optionen mindestens kurz geprüft werden.

5) Trauen Sie sich, Entscheidungen zu treffen!

Im vorigen Abschnitt habe ich Ihnen empfohlen, den Lösungsraum möglichst weit aufzuspannen und «out of the box» zu denken. Im nächsten Schritt sollten Sie sich jedoch in einem pragmatischen Vergleich wieder auf zwei bis drei Varianten fokussieren, ansonsten besteht die Gefahr, dass das Projekt zu komplex wird und dadurch unverhältnismässig verlängert wird. Ich empfehle, die Gründe für die Entscheidung gegen eine Variante zu dokumentieren, damit das gesamte Vorgehen nachvollziehbar ist.
Wenn sich Varianten ähneln bzw. nur leichte Abwandlungen existieren, fassen Sie sie zusammen. Sollten Sie Schwierigkeiten bei der Auswahl haben, können Sie bereits eine erste grobe technisch-wirtschaftliche Nutzwertanalyse durchführen.
Ziel ist die Fokussierung auf etwa drei Varianten. Diese lassen sich nun viel detaillierter ausplanen und bewerten. Erstellen Sie im nächsten Schritt eine Entscheidungsvorlage für Ihren Vorgesetzten oder die Geschäftsführung und empfehlen Sie eine Variante. Im nächsten Abschnitt erkläre ich Ihnen das Vorgehen.

«Der Business Case und die technische Nutzwertanalyse fassen alle Erkenntnisse zusammen und sind die Basis für die Entscheidung.»  

6) Errechnen Sie einen detaillierten Business Case nach Vorgabe Ihres Unternehmens

Für die wirtschaftliche Bewertung der Varianten existieren verschiedene Werkzeuge. Im Kern geht es in allen Methoden darum,
• die Einsparung von (laufenden) Kosten und/oder
• die Generierung von zusätzlicher Marge den (einmaligen) Investitionen gegenüberzustellen.

Im ersten Schritt werden die einmaligen Investitionen und Kosten geschätzt. Generell gilt: Liegen keine Vergleichs- oder Erfahrungswerte vor, so konsultieren Sie entweder einen Experten oder holen Budgetangebote ein. Investitionen und einmalige Kosten können beispielsweise sein:
• Anschaffung der neuen Anlage oder Maschine
• Umbau/Erweiterung der bestehenden Anlage
• Umzug/Rückbau der bestehenden Anlage
• eventuelle Restbuchwerte der bestehenden Anlage
• Erweiterung, Umbau oder Neubau des Gebäudes
• Projektmanagement
• Posten für Unvorhergesehenes (5–10% der Gesamtsumme)

Im zweiten Schritt werden die Einsparungen ermittelt, diese können sein:
• geringere Personalkosten (bspw. durch höheren Automatisierungsgrad)
• niedrigerer Instandhaltungsaufwand (Personal und Ersatzteile)
• Materialeinsparungen (bspw. durch Technologiewechsel)
Zusätzlich zu den Einsparungen können bei Ersatzinvestitionen noch theoretisch entgangene Marge durch Ausfall der Anlage eingerechnet werden. Hierbei ist eine Untersuchung notwendig, wie lange die Anlage ausfallen würde.
Bei einer Erweiterungsinvestition kann ebenfalls die entgangene Marge eingerechnet werden. In diesem Fall handelt es sich um die Nachfrage bzw. das geplante Wachstum, das nicht bedient werden kann – üblicherweise der grösste Hebel.

Neben den wirtschaftlichen Faktoren gibt es noch weitere technische Kriterien zu berücksichtigen, wie zum Beispiel:
• Erweiterungsfähigkeit
• Flexibilität
• Umsetzungsrisiko
• Projektplan und Umsetzungsdauer

 

Wir unterstützen Sie gerne

Detaillierte Praxiserfahrung in der Anlagen- und Maschinenplanung unter anderem in der Bauzuliefererindustrie hat der Autor Philipp Kappus bei einer Vielzahl von Unternehmen als technischer Berater gesammelt. Der Wirtschaftsingenieur leitet seit 2019 bei Rothbaum Consulting Engineers das Office in Frankfurt. Die technische Unternehmensberatung für Operations, Business und Informationssysteme unterstützt mittelständische und grosse Unternehmen in den Bereichen Produktion, Logistik, Supply Chain und Digitalisierung.
Kontakt:
p.kappus@rothbaum-consulting.de
+49 6196 5866894
www.rothbaum.ch    ■